Nach der Wahl im Schwulen Museum: Warum Berlin jetzt ein lesbisch-schwules Geschichtsmuseum braucht

Zunächst: Ich bin einem  Grundsatz untreu geworden, den ich normalerweise beachte, um dieses Blog möglichst unabhängig betrieben zu können. Eigentlich achte ich darauf, in keiner der Institutionen der Community auch selbst Mitglied zu sein.

Aber: Vor wenigen Monaten Mitglied des Schwulen Museums geworden, ich habe mich bei der letzten Mitgliederversammlung um eine Position im Vorstand beworben. Und ich bin nicht gewählt worden. Wenn ich also über die Vorgänge im SMU schreibe, bin ich befangen. Ich möchte es trotzdem tun.

Ich sehe mich weder als Teil der inhaltlichen noch der personellen Verwerfungen, die es dort gegeben hat. Ich hatte dort mehrmals in unterschiedlichen Funktionen mitgewirkt: Teile unserer „Operette für zwei Schwule Tenöre“ wurde dort mehrmals konzertant aufgeführt, ich habe u.a. auf einem Panel über Homophobie im Kulturbetrieb mitdiskutiert und zuletzt in Rahmen einer Präsentation meines Buches mit dem JUSO-Bundesvorsitzenden Kevin Kühnert getalkt. Als Besucher bin ich ein Fan, ich finde, dass die inhaltliche Erweiterung  dem Museum guttut, ich habe jedesmal sehr viel gelernt. Ich habe in unterschiedlichsten Situationen und Funktionen ehrenamtliche wie hauptberufliche MitarbeiterInnen erlebt und war immer beeindruckt vom offensichtlich gut funktionierenden Zusammenwirken, von einer hohem Leidenschaft und Professionalität.

Ich bin also nicht angetreten, um etwas anders zu machen, sondern um zu unterstützen. Genau so hatte ich auch meine Bewerbung begründet. Es stimmt also nicht, wenn ich (für andere sehe ich das ähnlich, kann aber nicht für sie sprechen) als schwuler Kandidat in ein Lager der „Vorstands-Kritiker“ einsortiert werde, wie Dirk Ludigs das in seinerm Bericht auf siegessäule.de suggeriert. Ich habe bisher weder dort noch anderswo den Vorstand kritisiert. Auch ich habe (die alte und neue Vorständin) Birgit Bosold und Mitglieder des später gewählten Vorstandes gewählt. Auch hier: Für andere schwule (ebenfalls nicht gewählte) Kandidaten kann ich nicht sprechen, aber wer sich die Ergebnisse genau anschaut wird erkennen, dass es ein festes „schwules Lager“ mit abgestimmten Wahlverhalten nicht gegeben haben kann, sondern nur eines, was sich entschlossen hatte, ein vermutetes schwules Lager geschlossen nicht zu wählen. Was, um es deutlich zu sagen, nicht nur selbstverständlich völlig ok ist. Schwule können nicht dauernd fordern, dass sich die nicht-schwulen Mitglieder der Community (auch) effektiv organisieren und  verbünden, und wenn es dann geschieht, darüber meckern, dass sie (mal) nicht zum Zuge kamen. (Eine andere Sache ist der kursierende Vorwurf, dass vom alten Vorstand nur zum Zwecke einer gewünschten Wahlentscheidung reihenweise MitgliederInnen angeworben wurden und diesen dann vergünstigte Mitgliedskonditionen eingeräumt wurden.)

Nicht ok ist aber, wie Birgit Bosold (offensichtlich auch auf meine und andere Kandidaturen beziehend), hier eine inhaltliche Front aufmacht, die sie so beschreibt:

„Im Grunde werden im Schwulen Museum die Auseinandersetzungen geführt, die gerade in der ganzen Community laufen, z.B. im Konflikt um den Neubau am Südkreuz zwischen RuT und der Schwulenberatung, in der Debatte um lesbisches Gedenken oder in den Kontroversen rund um Beißreflexe: In ,der Community‘ wird um die Deutungshoheit, um die Verteilung von Ressourcen, um Sichtbarkeit und Macht gestritten.“

Sowohl ich als auch andere schwule Kandidaten hatten sich öffentlich sowohl in der Diskussion um das Wohnprojekt als auch in der Debatte um lesbisches Gedenken eindeutig anders positioniert. Und auch gerade weil ich Patsys Arbeit wichtig finde, ernst nehme und sehr schätze (insbesondere auch das, was sie im Museum gemacht hat), lasse ich mich (so sehe ich das auch bei anderen Kandidaten) nicht in ein Patsy-Lager stecken, sondern führe auch hier eine inhaltliche komplexe Auseinandersetzung.

Aber Bosolds Erklärungen, so wie sie Dirk Ludigs widergibt, zeigt, dass es ihr schwerfällt, jenseits von Lagern zu denken, dass sie selbst da Zuteilungen vornimmt, wo diese absurd sind. Und dass sie Schwule offensichtlich ausschließlich als Machtgegner betrachtet. Was sie natürlich auch sind. Doch wer alles ausschließlich einem Verteilungskampf unterordnet, den erkälrt den internen Kampf zum eigentlichen Zweck von Community. Der löst Community auf.

Natürlich muss die Community, vor allem in ihrer Repräsentanz, vor allem bei der Verteilung von Ressourcen, weiblicher und queerer werden. Doch wenn es eine Community bleiben soll, dürfen Schwule hierbei nicht nur als Problem betrachtet werden. Es kann nicht nur darum gehen, Geschichte umzuschreiben, es müsste vor allem darum gehen, sie zu erweitern.

Ich hätte es spannend gefunden, wenn das Schwule Museum sich als ein Ort begreifen könnte, der sowohl dem Querfeminismus, als auch der Homosexuellen Identität einen Ort gibt. Natürlich muss das Homosexuelle (und vor allem das Schwule)  verstärkt Platz machen den Teilen, die bisher weniger repräsentiert und präsentiert sind. Und doch muss das Homosexuellle (das Lesbische wie das Schwule) da wo es thematisiert wird, auch lesbisch und schwul sein dürfen. Ein gelungenes Miteinander muss auch Widersprüche, muss auch ein Nebeneinander aushalten. Eine Martin Dannecker-Ausstellung muss sich nicht dafür rechtfertigen, dass sie eine Martin Dannecker-Ausstellung ist.

Und ja, es hat – das konnte man auf der Mitgliederversammlung erleben, offensichtlich enorme persönliche Verletzungen gegeben. Schwule, vor allem die, die länger dabei sind, trauerten um etwas, was ihnen wichtig war. Es waren keine Machtansprüche, sondern das Verlangen, dass auch das, was ihnen wichtig ist, bestehen kann, geschützt und auch respektiert wird.

Hierzu gab es im Triumphgebahren  des neu gewählten Vorstandes keine einzige Geste des Verständnisses. Selten habe ich das Verhalten von Gewinnern so kalt, so brutal erlebt. Kein: Nach allem Zwist wollen wir uns nun darum bemühen, dass auch die Unterlegenen auch noch irgendwie Teil davon sein können.

Für das Museum ist das wahrscheinlich eine gute Nachricht. Die Machtverhältnisse sind geklärt. Die Marke ist klar. Das Schwule Museum muss nicht mehr so tun, als wäre es es schwules. So oder so darf erwartet werden, dass es bald als „Queeres Museum“ firmieren wird. Auch das ist zu begrüßen, Berlin kann so etwas gut gebrauchen.

Und doch braucht Berlin auch ein Museum, in dem homosexuelle Geschichte nicht nur als Problem, sondern auch als positive Identitätssuche erlebbar wird. Ein solches Museum würde im Schöneberger Nollendorfkiez besonders Sinn machen. Ich wohne hier und bekomme mit, wie sich immer mehr (besonders auch junge) Leute aus aller Welt hier auf die Spuren einer Identität machen, die für sie offensichtlich relevant ist. Ich kann mir  vorstellen, dass die gleichen Menschen auch Gefallem am zukünftigen Queeren Museum finden werden.

Und trotzdem finde ich, dass Berlin als der Ort, in dem – wie es Robert Beachy in seinem Buch beschreibt – Homosexualität „erfunden wurde“, diese auch ihrer Geschichte angemessen aufbereitet, gefunden werden kann.

Ein Lesbian & Gay History Museum also. Eines, das Lesbisches und Schwules nicht als etwas Starres, als etwas Auschließendes begreift. Eines, das nicht in der Vergangenheit stehen bleibt, aber diese nicht als auserzählt behauptet, und nicht nur vor allem den nicht-lesbischen, nicht schwulen Blick auf sie bevorzugt.

Ein Museum, das lesbische und schwule Sichtbarbarkeit sucht, archiviert, präsentiert und verteidigt. Gegen die, die diese attackieren. Von außerhalb der Community. Aber auch von Innen. Wer wäre da dabei?

 Das Nollendorfblog bleibt werbefrei und unabhängig durch die freiwillige Unterstützung seiner Leserinnen und Leser. 
Mehr dazu: Das Nollendorfblog braucht Deine Unterstützung.