„Bündnis gegen Homophobie“: Wie der Berliner LSVD gegen die eigene Community kämpft

Die Macht des Berliner LSVD ist nicht darin begründet, dass er viele Mitglieder hat, dass er viele Leute auf die Straße bringt, oder dass er etwa gute Ideen oder ein gutes Händchen hat, wenn es darum geht, die Interessen der Community zu vertreten, All dies hat der LSVD Berlin Brandenburg nicht nötig. Denn seine Macht liegt einzig darin begründet, dass er Macht hat und sie verteidigt, dass er Geld einsammelt, das eigentlich der Community zur Verfügung stehen sollte weil er sich darauf spezialisiert hat so zu tun, als sei er die Community, so als ob das, was er tut, der Community nützen würde.

Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Ich kenne keine Berliner LGBTI-Organisation, die nicht darüber klagt, dass der LSVD vor allem darauf aus ist, alle guten Ideen und Initiativen in der Szene entweder zu verhindern oder in irgendeine Weise für sich zu kapern. Aber nicht, um diese dann groß rauszubringen. Der LSVD ist eine Heuschrecke, die alles drum herum abgrast, nur um selbst immer fetter zu werden. Doch fast nichts, was der LSVD BB macht ist darauf ausgerichtet, etwas zu bewirken. Es geht darum, der Politik (von der er dafür bezahlt wird) und der Wirtschaft (die ihn darin unterstützt) Bilder dafür zu liefern, dass etwas passiert. Das politisch Schlimme aus Sicht der Szene daran ist: Von einer Organisation, die eigentlich dafür gegründet worden ist, die Interessen der Community gegenüber der Politik zu vertreten, ist er zum Gegenteil geworden, also zu einer Organisation, die die Interessen der Politik gegenüber der Community vertritt.

Die Politik, also hier vor allem der Berliner Senat, hat seine Homo-Politik zu weiten Teilen an den LSVD BB outgesourced. Der LSVD wird (natürlich nicht offiziell aber de facto) dafür bezahlt, dass er die Community für den Senat planbar macht. Natürlich bekommt er dafür kein Geld, sondern nur für ganz konkrete Projekte. Kritiker werfen dem Verband aber hinter vorgehaltener Hand vor, dass er so viele Kapazitäten für den Erhalt und den Ausbau der eigenen Machtstruktur abzweigt, dass es bei den Projekten hakt, und das vor allem bei angemessenen Arbeitsbedingungen der eigenen MitarbeiterInnen.

Wie schlimm die Zustände dort offensichtlich sind, zeigt ein seit langem schwelender Konflikt um prekäre Arbeitsverhältnisse, der Anfang diesesn Jahres „einen neuen Tiefpunkt“ erreichte, wie Bernard Coda im Februar schrieb:

„2018 verliert der Verein zwei Drittel seiner Mitarbeiter*innen: Sie wurden vor die Tür gesetzt oder sind aus Frust über die Geschäftsführung selbst gegangen.“

Wer versucht, Licht in die verworrenen Entscheidungs- und Geldstrukturen beim LSVD zu bringen, wird leicht Gegenstand von Diffamierung, was ich selbst erlebt habe.

Als ich 2014 eine Pressenanfrage an den LSVD BB zu den finanziellen Hintergründen einer – wie ich fand – fragwürdigen Plakatkampagne des „Bündnisses gegen Homophobie“ stellte, wurde diese nicht beantwortet. Der Verband veröffentlichte aber eine Art offenen Brief, in dem er seine Nicht-Antwort an mich damit begründete, dass dieser Blog ja nur ein „Hobby Blog“ sei, und ich ja darüber hinaus „bereits seit längerem durch wenig seriöse Berichterstattung aufgefallen“ sei. Womit, wie der Brief nahelegt, vor allem meine kritische Berichterstattung gemeint sein musste.  (Hier eine Zusammenfassung der damaligen Ereignisse durch den Bloggerkollegen Rainer Hörmann: „Unerträgliche Arroganz – Der LSVD findet schwulen Blogger unprofessionell (weil man selbst professionell die Verwendung von Geldern verschweigen möchte“)

Ja, ich hatte tatsächlich gewagt, die Kampagne, deren finanzielles Zustandekommen ich recherchieren wollte, vorab inhaltlich zu kritisieren. Dies kollidierte mit der Auffassung von Meinungsfreiheit des LSVD BB, die dieser den Journalisten zubilligen möchte, denen er Auskunft zu erteilen bereit ist: „Ein Journalist hätte jedoch zunächst eine Rechercheanfrage gestellt, um im Anschluss einen Artikel zu verfassen.“ Der LSVD teilt also mit: Wer schon mal einen (negativen) Meinungsartikel verfasst hat, darf anschließend nicht mehr über das gleiche Thema schreiben. Beziehungsweise: Wenn er es doch tut, ist er kein seriöser Journalist, der Anrecht auf Informationen hat. Ich betriebe diesen Blog seit fast zehn Jahren und habe vielfältige Presseanfragen an alle möglichen Institutionen gestellt. Natürlich kommt es wieder immer wieder vor, dass Pressestellen versuchen, sich um verwertbare Informationen zu drücken. Dass aber die Auskunft verweigert wird, weil man vorab kritisch geschrieben hat, habe ich selbst bei der AfD noch nicht erlebt. Ich weiß, dass es auch beim Berliner LSVD Leute gibt, denen das damals mehr als peinlich war und ich weiß, dass es auch heute noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort gibt, die einen guten Job machen, die es vor allem auch für die Sache machen, die es verdient hätten, dass man sie dabei unterstützt.

Warum mauert ausgerechnet gerade ein Verband, der sich angeblich der Community verpflichtet fühlt? Wo ist das Problem, über den Einsatz der zur Verfügung stehenden Gelder Auskunft zu erteilen?

Einer der Gründe ist offensichtlich, dass sich der LSVD über die Jahre mit dem sogenannten „Bündnis gegen Homophobie“ ein Machtinstrument aufgebaut hat, dass es ihm besonders leicht macht, Gelder für ihm genehme Kampagnen und Aktivitäten locker zu machen, ohne dafür öffentlich, oder zumindest in einem durch die Community irgendwie auch nur halbwegs legitimierten Gremium, darüber Rechenschaft abzugeben.

Das „Bündnis gegen Homophobie“ ist laut Eigenauskunft ein Zusammenschluss Gesellschaftlicher Organisationen und Institutionen aus den Bereichen aus den Bereichen, Sport, Kultur und Wissenschaft. Auf der Homepage heißt es:

„Mittlerweile zählt das Bündnis gegen Homophobie über 100 Unternehmen, Organisationen und Vereinigungen aus Berlin zu seinen Mitgliedern.

(…)

An der Gründungsveranstaltung nahmen neben Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit u.a. Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch, der Vorsitzende der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Michael Joachim, und der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, teil. Initiator des Bündnisses ist der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) e.V. Dem Bündnis gehören u. a. die Deutsche Bank und die SAP AG, die Akademie der Künste und die Deutsche Oper, der Deutsche Fußball-Bund e.V. und Hertha BSC, der Landessportbund und der Deutsche Gewerkschaftsbund an.“

Das Tragische ist, dass diese Organisationen wohl alle der Meinung sind, mit ihrem Engagement die Community in ihrem Engagement gegen Homophobie zu unterstützen. Tatsächlich aber unterstützen sie wohl mehr oder weniger einen einzigen Verband in seinem Engagement gegen die Community. Denn das Bündnis ist organisatorisch und finanziell beim LSVD angesiedelt und dieser versucht, jedes bestehende Engagement in der Community klein zu bekommen, oder es zum Teil einer LSVD-Kampagne zu machen.

Das „Bündnis gegen Homophobie“ stärkt also nicht den Kampf gegen Homophobie, es schwächt sie. Es gibt in Berlin so viele gute Initiativen, die dringend Geld benötigten, diese aber nicht bekommen, weil sie sich aus gutem Grund nicht zum Teil der Selbstdarstellung des LSVD BB machen wollen. Stattdessen ballert der LSVD Geld für Gaga-Kampagnen raus, die vor allem das Ziel haben, seine eigene Sichtbarkeit weiter zu erhöhen, seine Macht also weiter auszubauen.

Wie dieser von den Interessen der Community völlig losgelöste Geltungsanspruch in der Praxis funktioniert, zeigte sich besonders widerlich nach dem Anschlag in Orlando im Sommer 2016. Als die AktivistInnen Ryan Stecken und Margot Schlönzke sich darum bemühten, das Brandenburger Tor in den Regenbogenfarben zu beleuchten um eine angemessene Form der Trauer zu ermöglichen (der LSVD BB hatte hierzu wiedermal nur eine mehr oder weniger PR-Aktion oder nennenswerte Einbindung der Community veranstaltet), versuchte der Verand sich auch als Initiator dieser Aktion darzustellen. Zwar hatte der Verband nie behauptet, Mit-Organisator der Mahnwache zu sein. Und doch tat er alles dafür, dass es so aussah.

Schlönzke und Stecken hatten die Mahnwache bewusst nicht in Kooperation sondern als Ergänzung zur der des LSVD initiiert, auch weil sie sich um eine bessere Ansprache der Community bemühen wollten. Das hielt den Verband aber nicht davon ab, die Trauer um die Toten von Orlando zu einer perfiden Desinformation zur eigenen Selbstdarstellung zu nutzen. Er verschickte nicht nur eine eigene Pressemitteilung zur Mahnwache, die nicht mit den VeranstalterInnen abgesprochen war. Er „verzichtete“ auch darauf, diese zumindest namentlich zu nennen, so dass Medien diese als Ansprechpartnerinnen hätten wahrnehmen können. Stattdessen führte die Organsiation nur ihren eigenen Pressekontakt auf, was dazu führte, dass die meisten Medien selbstverständlich davon ausgingen, dass es irgendwie doch eine LSVD-Veranstaltung war, der dieser damals immense Zuspruch gelang.

Als dann (wie offensichtlich von LSVD beabsichtigt) in der Presse bereist bereits Stunden vor der Mahnwache geschrieben wurde, dieser sei Mitinitiator (und da keine anderen Initiatoren genannt wurden, sag es so aus, er wäre der eigentliche Initiator), wurde der Verband durch Stecken und Schlönzke unmissverständlich aufgefordert, dies klarzustellen. Dies wäre ganz einfach gewesen, er hätte einfach nur kurz gegenüber der Deutschen Presseagentur klarstellen müssen und hätte somit verhindern, dass die Falschinformation in bundesweiten und regionalen Leitmedien weiter verbreitet wurde. Aber trotz des Wissens darum und dem eindringlichen Drängen und Bitten der Veranstalterinnen (noch vor 17.00 Uhr, also über vier Stunden vor Beginn) hat er sich dem verweigert. Selbst bei einem Totengedenken denkt der LSVD Berlin Brandenburg ganz offensichtlich ausschließlich an sich selbst.

Ich weiß, diese Auflistung der Ereignisse erscheint kleinlich und  natürlich müsste es ja eigentlich egal sein, wer eine Veranstaltung organisiert hat, denn schließlich geht es ja um die Sache. Das Problem ist nur, dass diese Community dringend mehr starke Vielfalt und mehr erfolgreiches Eigenengagement braucht. Und dazu gehört auch die Sichtbarkeit, das Sich-Ausprobieren-Können anderer Teile der Community. Aber genau dieser Einsatz wird durch den LSVD immer wieder erschwert und oft auch zerstört. Er ist kein Ermöglicher, sondern ein Verhinderer. Die Geschichte der Orlando-Mahnwache ist hierfür nur ein Beispiel, aber ein gutes, da es zeigt, wie schamlos der Verein vorgeht. Und wie nötig er das offensichtlich hat.

Denn vor allem aber schmückte er sich hier mit fremden Federn ganz bewusst bei einem Ereignis, das er selbst aus mangelndem Rückhalt und inhaltlicher Nähe zur Community nie selbst hinbekommen hätte. Gerade weil ihm alles fehlte, was den überwältigenden Erfolg dieser Aktion ausmachte (angemessene Ansprache, wirkungsvolle Kommunikation, kreative Dramaturgie, glaubwürdige Sensibilität, eine von der Community getragene Umsetzung und nicht zuletzt: ihrer politischen Unabhängigkeit) war es ihm wohl so wichtig in den Augen seiner Geldgeber all das vortäuschen zu können.

Von dem breiten Hass, der dem LSVD durch diese wie durch viele andere Rumtricksereien in der Vergangenheit aus der Community entgegenschlägt, haben wohl die Geldgeber des „Bündnisses gegen Homophobie“ nicht viel mitbekommen. Das Bündnis wird mächtiger und so auch der LSVD BB. Im Mai wurde öffentlichkeitswirksam verkündet, dass nun auch die Berliner Charitée dazu gehört. Queer.de schrieb:

„Die Charité steht für Vielfalt. Identität und Identifikation möchten wir explizit stärken“, erklärte Prof. Dr. Karl Max Einhäupl, Vorstandsvorsitzender der Charité, anlässlich des Beitritts. „Mit dem Bündnisbeitritt wollen wir auch über die Grenzen unseres Universitätsklinikums hinaus ein Zeichen für ein respektvolles Miteinander in der Gesellschaft setzen“, so Einhäupl weiter.

Ob und was dieses Bündnis gegen Homophobie überhaupt auszurichten vermag, sei hier mal dahingestellt. Auf jeden Fall aber unterstützt es -zumindest indirekt – die Verbandspolitik einer Organsiation, die in ihrem Machtgehabe immer respektloser das Gegeneinander innerhalb der Community forciert.

Die jüngste Eskalation ist der Kampf des LSVD BB gegen das Gedenken lesbischer Opfer in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten. Auch hier arbeitete der LSVD BB vehement mit Diffamierung und Desinformation. Diesmal sogar nicht nur gegen die eigene Community. Queer.de schreibt zu den jüngsten Ereignissen, in der Bundeshauptstadt würde sich der Streit zwischen lesbischen Aktivistinnen und schwulen Aktivisten zuspitzen:

„Die Atmosphäre ist vergiftet.“

Doch das stimmt so nicht. Es gibt trotz aller Interessenkonflikten in Berlin auf vielen Ebennen eine relativ gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen lesbischen und schwulen AktivistInnen. Was nicht funktioniert ist die Zusammenarbeit des LSVD mit nahezu allen bedeutetenden AktivistInnen und Gruppierungen, egal ob lesbisch oder schwul.

Aber ja, die Atmosphäre ist vergiftet und deswegen muss dem LSVD Berlin-Brandenburg nun dringend Einhalt geboten werden. Spätestens wenn sich herausstellt, dass ein solcher Verband weder kulturell noch inhaltlich um angemessene lesbische Repräsentanz bemüht ist, sich also mehr oder weniger offen gegen fast die Hälfte der Community stellt (und eigentlich ja gegen die ganze Community, die ein solches Verhalten nicht mittragen kann) muss es mit der Untersützung durch Politik und Wirtschaft vorbei sein. Der Senat muss jetzt sofort die unsachgemäße Männerkumpanei beenden die durch eine geleakte Email bekannt geworden ist. Der Bundesverband muss sich endlich deutlicher von seiner Berliner Gruppierung distanzieren. Und wenn die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Institutionen dieses ominösen „Bündnisses gegen Homophobie“ wirklich etwas gegen Homophobie ausrichten möchten, dann müssen sie sich dringend neu organisieren. Mit der Community und nicht mit einer Organisation, die vor allem eines ist: deren Gift. ♦

In einer vorherigen Version dieses Beitrages wurde das „Bündnis gegen Homophobie“ fälschlicherweise als „Aktionsbündnis gegen Homophobie“ bezeichnet. Da es einen Verbund mit dem Titel „Aktionsbündnis gegen Homophobie“ tatsächlich gibt und dieses wirklich sehr gute Arbeit macht, möchte ich betonen, dass dieses nichts mit dem hier besprochenen „Bündnis“ zu tun hat. Ich bitte den Fehler zu entschuldigen.

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