Am 8. 9. in Kahla: Eine kleine Stadt in Thüringen braucht unsere Solidarität gegen Homohass und Rechtsextremismus

Zur Zeit bin ich mit meinem Buch über die „nette Homophobie in der Mitte der Gesellschaft“ in Deutschland unterwegs. Doch bereits bei meinem ersten Lesetermin habe ich erfahren, dass es Teile in Deutschland gibt, in denen die Sorgen der Community viel handfester sind, in denen nicht die diffuse und nett artikulierte Alltagshomophobie das Problem ist.

Sondern der brutale offene Homohass.

Kahla, ein kleines schönes Städtchen im Thüringischen ist so sehr dominiert vom Einfluss rechtsradikaler Kräfte, dass dort alle Bemühungen, Community sichtbar und erlebbar zu machen, im Keim erstickt werden.

Auf den Demokratieladen, der sich auch gegen Rassismus und Homophobie einsetzt, sind schon zweimal Anschläge verübt worden, beim letzten Mal sind nur durch viel Glück keine Menschen zu Schaden gekommen. Trotzdem gibt es dort eine Gruppe engagierter Projektmitarbeiter*innen und Aktivist*innen, die nicht locker lassen, und weiter versuchen, dass auch dort offenes Leben von LGTBI möglich ist. Zum letzten Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie im Mai war ich zu einer Lesung eingeladen. Im Vorfeld war unmittelbar vorher auf dem benachbarten Marktplatz eine Aktion geplant, die dazu diente, auf die Situation von LGTBI aufmerksam zu machen und mit der Zivilbevölkerung darüber in Gespräch zu kommen. Unter dem Motto „Color Up Kahla“ wurde der Marktbrunnen mit regenbogenfarbenen Transparenten umdekoriert, es gab Infostände und selbstgebackene Muffins.

So liebevoll und kreativ der ganze Auftritt vorbereitet und auch in der lokalen Presse angekündigt war, so gespenstisch war die Resonanz: Weder Passanten noch Repräsentanten der Zivilgesellschaft ließen sich blicken. Keiner ging auf das Gesprächsangebot ein, niemand wagte auch nur einen Höflichkeitsbesuch, wie er in anderen Gemeinden üblich ist, um die Verbundenheit und Unterstützung mit dem Anliegen zu zeigen.

Grund hierfür ist offensichtlich nicht Desinteresse, sondern das Angst-Szenario, das dort seit Jahren von rechten Kräften verbreitet wird. Während der guten Stunde, die wir auf dem Marktplatz standen, konnte ich beobachten, wie das funktioniert: In der Region bekannte Neonazis zeigten Präsenz am Rande des Platzes, ganz offensichtlich, um die AktivistInnen einzuschüchtern und auch den Bürgerinnen und Bürgern zu signalisieren, dass eine mögliche Kontaktaufnahme mit uns von ihnen registriert werden würde. Oder, wie Queer.de die Vorfälle später zusammenfasst: „Stadtbekannte Nazis liefen Patrouille.“

Doch dabei beließen es die Nazis nicht.

Von uns unbemerkt hatten sie Fotos von uns gemacht, die sie Stunden später auf Facebook stellten, um die Stadt gegen das Engagement für Vielfalt in Stellung zu bringen.

Außerdem schreibt queer.de:

Und dann, Stunden später, der Schock. Die Aktivistinnen entdecken Bilder auf Facebook: Demnach haben Rechtsextremisten der Partei „Der Dritte Weg“ nicht nur die Dialog-Aktion fotografiert, sondern als Gegenaktion auch homophobe Flyer in der Kleinstadt verteilt. Auf den Flugblättern der Nazis heißt es: „Mit reichlich Steuergeldern wird die Homosexualisierung der Gesellschaft vorangetrieben.“ Und weiter: „Ohne deutsche Kinder gibt es keine deutsche Zukunft!“ Es ist Material, das die Nazis seit längerer Zeit verwenden.

Nach diesen Vorfällen habe ich die AktivistInnen gefragt, wie sie mit der Situation umgehen möchten und angeboten, falls gewünscht, zusammen mit ihnen eine weitere Aktion mit dem Ziel zu planen, der Einschüchterung der Nazis eine Solidaritätsgeste aus den Reihen der Community entgegenzusetzen.

Das Ergebnis dieser Diskussionen ist, dass sich die AktivistInnen entschlossen haben, Flagge zu zeigen:

Am 8. September findet nun ab 14.00 Uhr auf dem Marktplatz unter dem Motto „Kahla Courage- Vielfalt ist das ganze Leben“ ein Fest statt, dass das Ziel hat,  „für Aufgeschlossenheit gegenüber verschiedener Lebens- und Liebesweisen“ zu werben.

Ich finde es großartig, dass sie sich nicht einschüchtern lassen. Vor allem aber ist es mutig.

Doch ich finde, wir dürfen Sie mit ihrem Mut nicht alleine lassen. Deswegen möchte ich jede und jeden bitten, dem es irgendwie möglich ist, an diesem Tag nach Kahla zu kommen, mit zum Gelingen dieses Festes beizutragen. Denn es geht dabei nicht nur um Kahla. Es geht auch darum, ganz grundsätzlich zu zeigen, dass Nazis nicht das letzte Wort haben dürfen, dass die Angst nicht siegen darf. Es geht darum zu zeigen, dass wir keine Orte dulden, an denen sich Lesben, Schwule, Bi-, Trans-. und Intersexuelle nicht öffentlich zeigen können.

Vor allem aber geht es darum zu zeigen, dass die von uns in der Community viel beschworene Solidarität ein Versprechen ist, das auch wirklich eingehalten wird, wenn es wirklich notwendig ist. Wenn wir es schaffen, in Kahla Mut zu verbreiten, also dort wo die Verhältnisse am aussichtslosesten erscheinen, können wir auch andere mit diesem  Mut anstecken.

Schon jetzt gibt der Aufruf Anlass zur Hoffnung und viele Bürgerinnen und Bürger, aber auch Institutionen haben ihre Teilnahme und Hilfe zugesagt. Es bewegt sich was …

Also bitte: Kommt am 8. September nach Kahla!

Samstag, 8. September , 14.00 – 17.00 Uhr, Marktplatz 07668 Kahla, Thüringen. 

Für alle aus Berlin: Zusammen mit Enough ist Enough wird es einen Bus geben, bei dem noch Plätze frei sind (Kostenbeitrag: 7.00 EUR): Anmeldungen sind möglich unter: kahla-courage@web.de 

(Der Bus fährt um 10.00 Uhr nahe Berlin Zoologischer Garten los und wird ca. 21.00 Uhr wieder dort zurück sein. Der genaue Startpunkt wird bei Anmeldebestätigung mitgeteilt.)

Künstler, die auftreten wollen, können sich ebenfalls unter dieser Mailadresse melden. Außerdem gesucht: Attraktive Preise für die Tombola. 

Für das Bühnenprogramm haben sich einige Künstler*innen aus Berlin, NRW und Thüringen angekündigt.

U.a. dabei:

– Ryan Stecken
– Beate Fischer
– am Piano: Florian Ludewig
– Sven Hensel, Stef & Barbara Roherwasser (Poetry Slam)
– The Road Ahead
– Mindcolor

Talk u.a. mit Ryan Stecken, Ex-Fußballspieler Marcus Urban, 

Autor & Poetry Slammer

Mit weiteren Künstlern sind wir gerade im Gespräch. Moderation: Paul Schulz (Schwuz, Enough is Enough) und Johannes Kram.

Außerdem:
Info-Stände, vegane/vegetarisiche Burger, Kaffee & Kuchen, Tombola

Veranstalter ist die mobile Jugendarbeit Südliches Saaletal und der Demokratieladen Kahla in Kooperation mit Enough is Enough und dem Nollendorfblog.

 Das Nollendorfblog bleibt werbefrei und unabhängig durch die freiwillige Unterstützung seiner Leserinnen und Leser. 
Mehr dazu: Das Nollendorfblog braucht Deine Unterstützung.

 

​Die nächsten Lese- und Diskussionsveranstaltungen zum Buch zum Nollendorfblog,

„Johannes Kram: Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber …“:

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Ein Gedanke zu „Am 8. 9. in Kahla: Eine kleine Stadt in Thüringen braucht unsere Solidarität gegen Homohass und Rechtsextremismus

  1. Auf Wikipedia heißt es, dort habe sich nach seiner Vertreibung aus Jena der braune Mob angesiedelt und gleichsam die Oberhoheit über den Ort errungen, ohne Gegenwehr der Bevölkerung. Mehrere Liegeschaften seien im Eigentum von Rechtsradikalen. Außerdem sei Kahla einige Jahre lang Residenz des Gründers der berüchtigten Wehrsportguppe Hoffmann gewesen, der dort ebenfalls einige Häuser besessen habe. Andererseits finden sich im Gemeinderat -wiederum laut Wikipedia- „nur“ zwei Rechtsextremisten, während der Ort von den Linken regiert wird.

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