Rassismus: Warum Nina Queer nicht Borat ist

„Nina Queer reproduziert übelste rassistische und kolonialistische Klischees, indem sie Afrikaner als dauererregte und hochpotente Männer mit mangelnder Impulskontrolle verspottet.“

Um die SPD im Wahlkampf zu treffen, zielen CDU und Junge Union gerade auf den von den Sozialdemokraten zu ihrer „Toleranzbotschafterin“ gekürten Drag-Star Nina Queer. Diese hatte 2011  für das mittlerweile eingestellte Schwulenmagazin „Du & Ich“ eine Kolumne geschrieben, in der sie eine deftige Geschichte erzählt, in der sie sich als Sextouristin in Afrika „untenrum“ beglücken lässt.

Die in diesem Text fleißig aneinandergereihten rassistischen Klischees, das ist leicht zu erkennen, waren keine Entgleisungen, sie waren der eigentliche Inhalt. Ob es sich allerdings dabei – wie die CDU – behauptet – um Rassismus handelt, ist eine andere Frage.

Denn erstens ist der Text eindeutig Satire und zweitens ist Nina Queer eine Kunstfigur. Eine der Hauptfunktionen von Kunstfiguren ist es, Dinge zu sagen, da man als echter Mensch nicht sagen darf, die Kunstfigur lebt meist in einer erfundenen, künstlichen Welt. Sie erzählt erfundene Geschichten und nimmt eine Haltung ein, die nicht der des Menschen dahinter entsprechen muss, oft sogar dieser konträr gegenübersteht.

Man muss also dem Mensch hinter Nina Queer vor den Vorwürfen der CDU in Schutz nehmen, man  muss diesem Mensch zugute halten, dass seine Kunstfigur eben irgendwie Kunst ist, dass die Stereotypen, die die Figur vorbringt, möglicherweise deswegen vorbringt, um diese zu entlarven, zu diskutieren oder wie auch immer zu betrachten. Der Mensch dahinter muss sich dazu nicht erklären. Denn auch das Nichterklären ist Teil der Kunst.

Aber auch ein Problem.

Das Problem kann man am Beispiel Borat leicht erklären: Borat ist ganz eindeutig ein Antisemit und Rassist. Sacha Baron Cohen, der Mann hinter Borat, ist es (nach allem, was man weiß) nicht. Sacha Baron Cohen gibt sich als Schöpfer seiner Figur zu erkennen, er taucht beispielsweise im Abspann des Borat-Films auf, schafft also eine Distanz zu dem Wesen, das er erschaffen hat. Cohan ist also der Künstler, Borat ist das Werkzeug. Oder so.

Bei Nina Queer ist das anders. Ihr Schöpfer ist öffentlich nicht präsent, äußert sich nicht, die Öffentlichkeit weiß nichts über ihn und seine Haltungen. Er / sie lässt die Figur für sich sprechen, es gibt keine Distanz.  Das ist sein/ihr Recht und auch künstlerisch konsequent und spannend.

Allerdings muss er/sie sich dann konsequenterweise auch gefallen lassen, wenn man die rassistischen Äußerungen der Figur rassistisch nennt. Und da CDU und Junge Union nicht den Mensch dahinter, sondern die Figur angegriffen haben, ist es schon abenteuerlich absurd, wenn die Figur Nina Queer als Nina Queer in einem Statement gegenüber blu behauptet, es sei

„einfach eine Lüge von der Jungen Union, diese offensichtlich erfundene Geschichte als meine persönliche Aussage und Lebenseinstellung darzustellen“.

Also gleichzeitig für sich reklamiert, Kunstfigur und nicht Kunst-Figur zu sein, ohne für das gerade zu stehen, was die Kunstfigur (womöglich, wahrscheinlich ja aus gutem Grund!) verzapft hat.

Aber auch hier würde man Nina Queer gerne in Schutz nehmen. Ihre Figur funktioniert eben auf den Bühnen, die für sie geschaffen sind, oder denen, sie sich selbst baut.

Aber auf der politischen wird sie zur Farce.

Doch genau hier ist sie jetzt, es hat sie keiner gezwungen. Und wir diskutieren hier gerade nicht  über Stilfragen, nicht über Make Up, Zickenstreit, Pointendichte oder Glamour.

Wir reden hier über Rassismus.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die CDU in Berlin ist für mich unwählbar, auch weil ich sie in großen Teilen für homophob, sexistisch und mindestens latent-rassistisch halte. Doch nur weil ein Vorwurf von der falschen Seite kommt, ist er nicht automatisch falsch. Und wenn er falsch ist, dann muss man erklären können, warum das so ist. Ja: Von einem Künstler/einer Künstlerin, die sich mitten in einem politischen Wahlkampf als „Toleranz-Botschafterin“ berlinweit plakatieren lässt, darf man erwarten, dass sie in der Lage ist, mit Rassismus-Vorwürfen auf argumentativer Ebene umzugehen.

Doch das ist sie offensichtlich nicht. Stattdessen macht sie sich zum Opfer. Nina Queer zu blu:

„Dass es die CDU nötig hat, gerade eine Dragqueen anzugreifen, die ja nun wirklich eine ganz kleine Minderheit unter den Minderheiten darstellt, ist doch wirklich unterste Schublade!“

Was will sie damit sagen? Dass eine diskriminierte Minderheit nicht in der Lage ist, andere Minderheiten zu diskriminieren? Dass man es einer diskriminierten Minderheit nachsehen muss, wenn sie andere Minderheiten diskriminiert?

So oder so offenbart ihre Reaktion eine Mischung aus Ahnungslosigkeit und Dreistigkeit, die es sehr schwer macht ihr zu glauben, irgendwas über Rassismus verstanden zu haben.

Auf der Bühne mag das lustig sein. ♦

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5 Gedanken zu „Rassismus: Warum Nina Queer nicht Borat ist

  1. Hier sind ein paar Dinge nicht beachtet worden… Es stimmt, die Aussage „Dass es die CDU nötig hat, gerade eine Dragqueen anzugreifen…“ kann man so nicht gelten lassen, das ist die denkbar schlechteste „Verteidigung“. ABER: In der angeblich so rassistischen Kolumne wird bei genauem Hinlesen eigentlich schon klar, dass sie hier die Geschichte aus der Sicht einer fiktiven Person erzählt und eben nicht als Nina Queer. Es geht schon los mit „November 1982″, da war die Figur Nina Queer offiziell noch gar nicht geboren. Und doch bezeichnet sich die Erzählerin später im Artikel als eine „mittelalte Rothaarige“. Genau eine solche Rassistin, die in der Kolumne auf satirische Art und Weise bloßgestellt werden soll. Man hätte das – zugegeben – wahrscheinlich in der Überschrift schon deutlicher machen können, aber aus dem Artikel selbst geht deutlich hervor, dass Nina hier nicht aus ihrem eigenen Blickwinkel schreibt.

  2. …die partei wirbt aber nicht mit „nina queer“ sondern mit einer drag queen, es könnte jede x-beliebige sein, somit hinkt dein vergleich.
    im übrigen sehe ich leute wie dich mein lieber kram in diesem zusammenhang auch eher als nestbeschmutzer, ich hoffe du orientierst dich nicht allzu sehr an david berger…

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