Was die „Zeit“ über Homophobie lernen könnte, wenn sie es denn wollte

Die Homophobie der „Zeit“. Teil 2.

Was bisher geschah: In meinem letzten Blogbeitrag „Die schrecklich-nette Homophobie der ‚Zeit'“ habe ich diesen Satz auf der Titelseite der „Zeit“ vom 16. Juni als „hammerhomophob“ kritisiert: „Homophobie ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die enormen Emanzipationsgewinne der Schwulen und Lesben.“

Die Kritik ist vielfach aufgegriffen worden und hat an mehreren Stellen zu engagierten Diskussionen geführt, auch in den Kommentaren unter dem Blogbeitrag selbst.

Erfreulich ist, dass sich Jörg Lau, der Autor des „Zeit“-Leitartikels, (auch in den Kommentaren) meiner Kritik gestellt hat.

Bedauerlich ist, dass er da die Sache noch schlimmer macht.

Seine Erwiderung ist ein Paradebeispiel dafür, wie schwer es in Deutschland ist, darüber zu sprechen, was homophob ist.

Sie zeigt, wie wenig er (und seine Zeitung, die sich auf Twitter offenbar hinter ihn gestellt hatte) über Homophobie begriffen haben und wie wenig er bereit oder willens ist, sich mit den Ursachen und Mechanismen auseinander zu setzten, um die es wirklich geht.

Doch sehen wir uns das im Einzelnen an.

Jörg Lau schreibt:

„Es ist bedauerlich, dass der Blogbeitrag meinen Leitartikel so falsch deutet. …

Und schon hier müssen wir kurz unterbrechen. Denn ich kann seinen Artikel schon deshalb nicht falsch gedeutet haben, weil ich ihn gar nicht gedeutet habe. Meine ganze Argumentation befasste ganz bewusst und unzweifelhaft mit diesem einzelnen Satz. Ich wollte ganz bewusst nicht über den ganzen Beitrag sprechen (auch das könnte man aus gutem Grund auch tun) sondern die schlimme Logik einer einzigen Aussage darin.

Lau schreibt weiter:

Besonders der letzte Absatz lässt keinen Zweifel daran, dass ich als Konsequenz des homophoben Massakers aufrufe, „für die Liebe der Schwulen und Lesben zu kämpfen.

Wie gesagt, das habe ich gar nicht bestritten. Aber was will uns Herr Lau damit sagen? Dass in einem Artikel, der eine positive Aussage – meinetwegen sogar eine positive Grundaussage – zu Homosexuellen enthält, an anderer Stelle kein homophober Satz stehen kann? Sorry, wenn das jetzt gerade etwas spitzfindig klingt. Aber was der „Zeit“-Autor hier versucht, ist eine der folgenreichsten Missverständnisse und beliebtesten Ausflüchte in der Debatte rund um Homophobie und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit: Die Scheinlogik, nach der ein Satz, eine Aussage, ein Beitrag nicht homophob/rassistisch/antisemitisch sein kann, weil sich an anderer, auch an „übergeordneter“ Stelle, anders geäußert wird. Doch das ist falsch.

Ich möchte Herrn Lau hier um Gottes Willen keine Nähe zu den Neuen Rechten unterstellen (dazu gibt es weder hier, noch in irgendeinem anderen Artikel, den ich von ihm gelesen habe, irgendeinen Anlass, im Gegenteil). Aber mit dem Muster seiner Argumentation verhält er sich genau wie die, die behaupten, dass sie das, was sie gesagt haben gar nicht gemeint haben können, weil sie ja in einem anderen Zusammenhang an anderer Stelle etwas anderes gesagt haben. Nochmal: Ich habe nicht behauptet, dass sein Artikel homophob ist, ich habe nicht behauptet, dass er selbst homophob ist. Ich habe nichts anderes behauptet, als dass er in einem Artikel etwas homophobes geschrieben hat.

Doch indem Lau so tut, als könne das nicht sein (weil weder sein Artikel homophob ist noch – wie er an einer späteren Stelle in den Kommentaren begründet – er selbst) zeigt er, dass er etwas ganz Wichtiges nicht verstanden hat. Auch wenn das für „Zeit“-Leser und Autoren eine schmerzliche Wahrheit ist: Es gibt nicht die eine große Mauer, die die Guten von den Bösen trennt. Weder die guten von den bösen Menschen, noch die guten von den bösen Sätzen. Homophobie ist kein Virus, der die einen befällt und die anderen nicht, weil sie immun dagegen sind.

Auch wenn es uns schwer fällt einzugestehen: Homophobie und Rassismus sind in uns allen tief verankert, alleine schon, weil wir in Gesellschaften aufgewachsen sind, in denen Homophobie und Rassissmus tief verankert sind. Wir können, müssen versuchen, dies zu überwinden. Doch wenn wir so tun, als gäbe es nichts zu überwinden, zementieren wir die Strukturen, die wie eigentlich bekämpfen wollen.

Wir alle (und auch Herr Lau) können homophobe Sachen sagen, auch wenn wir für homosexuelle Liebe kämpfen wollen. Ja, wir können sogar homophobe Sachen sagen, wenn wir selber homosexuell sind. Wir können Rassisten sein, auch wenn wir uns als Weiße Boateng als Nachbarn wünschen. Oder sogar als Partner.

Wir alle könnten so so etwas sagen, das ist doch nicht das Problem, das sollte nicht, aber das kann passieren, die Frage ist doch, wie man dann damit umgeht. Ein Problem wird es doch erst dann, wenn einer sich selbst als liberal empfindenden Zeitung nicht auffällt, wenn ihnen ein homophober satz in einem Leitartikel auf der Titelseite rutscht. Oder dass sie, wenn es ihr schon nicht auffällt, dann zumindest versucht, die Kritik zu verstehen, mit der sie dann – von Vielen geteilt – konfrontiert wird.

Stattdessen stellt sie sich hinter eine Aussage, in der der Autor die Kritik als „infam“ bezeichnet und hinter einen Tweet, der sie als „krude“ abtut. Sie behauptet also nichteinmal, falsch verstanden worden zu sein. Sie tut so, als müsse sie sie sich die Kritik verbitten. Weil ein homophober Satz bei ihr gar nicht möglich ist.

Weiter geht es bei Lau:

Was die Feststellung angeht, dass die neuere Homophobie etwas mit Emanzipationsgewinnen zu tun hat – da habe ich nichts zurückzunehmen. Warum werden denn Orte wie das „Pulse“ angegriffen? Warum wurde offenbar ein Attentat auf die Gay Pride Parade in L.A. in letzter Minute verhindert? Warum der Hass auf die Paraden in Osteuropa? Warum Attacken in Israel durch einen Ultraorthodoxen während der Parade dort? Weil das Orte der Sichtbarkeit sind, an denen der Fortschritt der Menschenrechte fühlbar und angreifbar ist. Daraus zu konstruieren, ich wolle die Opfer für die Tat in Haftung nehmen, ist nichts als infam.

Jetzt mal ganz abgesehen davon, was es für die Kompetenz der „Zeit“ in LGBTI-Fragen generell und im Besonderen bedeutet, dass ihr Leitartikler zum Thema Orlando bis heute noch nicht mitbekommen hat, dass es sich bei dem mit dem Angriff auf das „Pulse“ in Verbindung gebrachte Attentat auf den  L.A. Pride um eine Falschmeldung handelte. Und mal ganz abgesehen davon, wie es zu bewerten ist, dass hier ein „Zeit“-Autor in der Debatte um die Bedeutung seines Zitat dieses einfach etwas zurechtbiegt (Erstens schieb er im Originalartikel, dass „Homophobie nicht zuletzt eine Reaktion auf die enormen Emanzipationsgewinne“ sei, während er hier behauptet, er habe von der „neueren“ Homophobie gesprochen. Zweitens steht im Originaltext, dass Homophobie „nicht zuletzt eine Reaktion auf die Emanzipationsgewinne“ seien, während es hier nur heißt, dass sie „etwas damit zu tun“ hätte. Das alles mag er ja irgendwie so gemeint haben, geschrieben hat er es nicht):

Sein Satz ist und bleibt falsch weil er Ursache und Wirkung vertauscht und sie ist homophob, weil sie so tut, als wären Homosexuelle Schuld an der Wut auf sie.

Doch zunächst zu seinen verschlimmbessernden Erklärungsversuchen:

Wie gesagt, den Attentäter von L.A. hat es nicht gegeben, und der von Orlando hat eben nicht die Sichtbarkeit. Er hat keinen Pride angegriffen, sondern einen Schutzraum hinter verschlossenen Türen. Die dort feiernden Latinos haben das nicht vor seiner Nase, nicht mal in seiner Stadt getan, er musste zwei Stunden mit dem Auto fahren, um sie zu finden. Aber auch das ist egal.

Denn: So wie es zum Antisemitismus im Prinzip keine Juden braucht, braucht es zur Homophobie keine Homosexuellen. Auch der Rassismus ist oft da besonders hoch, wo es wenig bis gar keine Migranten gibt.

Der Hass auf die anderen ist der Hass auf das eigene Leben oder die Angst vor etwas, was dem eigenen Leben  geschehen könnte. Es geht um eine Projektion, die eine vermeintliche Bedrohung nicht gegen die Ursachen des Bedrohungsgefühls richtet, sondern gegen eine irgendeine Minderheit.

So hat die homosexuellenfeindliche Politik in Russland (anders als Lau an anderer Stelle in den Kommentaren behauptet) eben nicht den Grund, dass LGBT-Menschen in Russland „sichtbarer“ sind. Bei gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit geht es nicht um die Menschen dieser Gruppen selbst, sondern um das Feindbild, für das sie taugen, um eine Gefahr zu beschwören, mit der sie gar nichts zu tun haben. Es geht darum, sich größer zu machen, indem man andere klein macht. Es geht darum, einfache Lösungen und Schuldige zu präsentieren, wo es keine gibt. Es geht um das Beschwören von Bildern von Männlichkeit, Stärke, Familie und Gesellschaft und der Diffamierung, die diesen Bildern angeblich entgegen stehen.

Homohasser von Putin bis Petri behaupten, Homosexuelle (oder wie sie es darstellen, die „Propaganda“ von Homosexualität) hätten einen negativen Einfluss auf Kinder, auf Familien und somit auf den Fortbestand der Gesellschaft.

Im Dritten Reich wie im IS und anderswo wurden Homosexuelle nicht verfolgt, weil sie so sichtbar waren. Sie wurden und werden diskreditiert,kompromittiert und umgebracht um an ihnen ein Beispiel zu statuieren, ein Zeichen zu setzen, was nichts mit ihnen, sondern mit denen zu tun hat, die dieses Zeichen für irgendetwas brauchen. Dass Homosexuelle (oder das Bild, das von ihnen gezeichnet wird) auch provozieren, hat damit nichts zu tun.

Weiter zu Lau:

Ich sage ganz klar, dass der Kampf für die Rechte weitergehen muss – ..

Ganz nebenbei, da ich mich ja hier nur mit diesem einen Satz und nicht mit dem Artikel beschäftigen wollte: Das sagt er eben nicht. Von Rechten ist in seinem Beitrag nirgendwo die Rede, sondern davon, dass man für homosexuelle Liebe kämpfen sollte, was wohl soviel bedeutet, dass sie möglich sein sollte. Dass soetwas im Jahr 2016 wirklich eine Kernansage auf der Titelseite der „Zeit“ ist, ist ein anderes Thema, aber lassen wir das, denn:

nur leider muss man sich dabei auf einen entfesselten Gegner einstellen. Aber: dessen Wut ist gerade ein Zeichen für die vielen Fortschritte, die es gegeben hat.“

Ach ja: Wie groß ist denn die Wut dort, wo es die meisten Fortschritte gegeben hat, etwa in den Niederlanden, wo es schon seit 15 Jahren die Ehe für alle gibt?

Die Wut ist kein Zeichen für die vielen Fortschritte. Es ist nicht mal die Wut auf homosexuelle Menschen, sondern auf das, wofür man sie verantwortlich macht.

Nicht die Orte der Sichtbarkeit sind das Problem. Sondern die Orte – und auch die Zeitungen – an denen man die Sichtbarkeit zum Problem erklären will. ♦

Mehr zum Thema:

Über Gauland, Boateng und die Witwe in uns, die verhindert hat, dass hier ein Schwarzer einziehn kann

Eurovision und Xavier Naidoo: Die ARD bastelt sich einen „wunderbaren N.“

Zu Harald Martenstein: Gute Homos, böse Flüchtlinge

Diesen Beitrag auf Facebook liken oder teilen.

39 Gedanken zu „Was die „Zeit“ über Homophobie lernen könnte, wenn sie es denn wollte

  1. Standing Ovations, Johannes, wer es jetzt noch immer nicht verstanden hat, der will es nicht verstehen (y)

  2. Sorry, aber: Mit keinem Wort habe ich Sichtbarkeit zum „Problem“ erklärt. Dass ich oder meine Zeitung „Sichtbarkeit problematisieren“ ist und bleibt eine Verdrehung, lieber Herr Kram.
    Der Sinn des von Ihnen heraus operierten Satzes ist, wenn ich noch mal einen Anlauf machen darf: Homophobie hat nicht zuletzt das Ziel, die enormen Emanzipationsgewinne der Schwulen und Lesben zurück zu drehen („ist eine Reaktion…“). Ich sehe darin das Gegenteil des victim blaming, das mir hier nun wiederholt unterstellt wird.

  3. Lieber Herr Lau,

    ich habe in der Nacht zu Montag (nach der Rückkehr aus dem Urlaub und eher zufällig) Ihren Artikel gelesen, und mich sehr erschrocken, dass so etwas ganz galant auf der ersten Seite der Zeit daher kommt. Habe dann gerade mal gegoogelt, was das Netz an Reaktionen dazu hergibt, bin hier gelandet und froh, Sie hier zu treffen.
    Was sie jetzt hier zuletzt schreiben, ist doch etwas ganz anderes, als dieser schlimme Satz! Zunächst mal Danke für die Richtigstellung. „Reaktion“ ist halt viel zu platt und zu kurz gegriffen! Bitte verstehen Sie, dass man Ihren Satz, Homophobie sei nicht zuletzt eine Reaktion auf die Emanzipationsgewinne der Schwulen und Lesen, durchaus als victim blaming verstehen kann. Und, wenn es so ist, dann sagen Sie doch einfach, dass Ihnen das schlicht nicht aufgefallen ist. Ich habe mich bislang nicht besonders intensiv mit Homophobie, Rechten von LGBT etc auseinandergesetzt, mein Mann auch nicht, aber als ich ihm auf seine Frage nach meiner Schweigsamkeit sagte, dass mich dieser gerade gelesene Satz irgendwie schockiert, und ich aber nach dieser 800-km-Autofahrt von Konstanz nach Berlin mit Kleinkind im Rücksitz und nach dem Ausräumen des Autos und Schlafenlegen des Babys gerade irgendwie nicht klar formulieren kann, warum, sagte er in Anlehnung an unseren Konstanzurlaub pseudoschwäbelnd (und Achtung: Ironie!): Haja, selber schuld, was müssen die auch überall rumknutschen, sollen sie ihre Sexualität doch bitte diskret dahoam ausleben, dann ham mer auch keine Probleme damit! Und brachte damit auf den Punkt, wie dieser Satz rüberkommt, was er impliziert, und warum er problematisch ist. Vor allem dass da noch steht „nicht zuletzt“, das heißt ja, zu einem großen Teil sind die Emanzipationsgewinne an der Homophobie schuld. Meiner unqualifizierten Empfindung nach ist Homophobie (mal ganz grob) so was wie menschenfeindliche Geistesgestörtheit. Und nicht irgendeine simple „Reaktion“ auf die Emanzipationsgewinne schwuler und lesbischer Menschen. Wäre es so, wäre die Homophobie ja kein Problem, wenn die Schwulen und Lesben etc nicht auf die Idee gekommen wären, ihre Rechte einzufordern, sich auf offener Straße zu küssen, oder wie auch immer Sie die Emanzipationsgewinne definieren. Und ja, ich war froh, zu bemerken, dass Sie offensichtlich nicht durch und durch homophob, sondern eher homofreundlich eingestellt sind, als ich den Artikel zu Ende gelesen hatte. Aber trotzdem ist dieser Satz schlimm und falsch. Und das kommt nicht nur bei Schwulen und Lesben, sondern auch bei den heteronormativ lebenden Menschen so an.
    Nachdem Sie hier coolerweise mitdiskutieren, hoffe ich, dass Sie auch was mitnehmen aus der Diskussion. Es kommt eben nun mal definitiv so rüber, dass Sie vor allem (halt „nicht zuletzt“) die Emanzipationsgewinne (und damit eben die zunehmende „Sichtbarkeit“ oder Präsenz von Homosexualität – oder was denn sonst?) dafür verantwortlich machen, dass es Homophobie gibt. Auch, wenn Sie es nicht so gemeint haben, was man dann merkt, wenn man den Artikel zu Ende liest, bleibt diese Aussage doch durch und durch katastrophal falsch und ist durchaus homophob. Und eine Entschuldigung wert. Auch, wenn Sie nicht homophob sind.
    Bitte verstehen Sie das Problem und zeigen Sie, dass Sie es verstehen.
    Danke und viele Grüße
    Hanna W.

  4. Lieber Herr Lau,

    Homophobie ist nicht nur außen bei den anderen. Sie wurde uns allen in(tro)jiziert – wie ein zersetzendes, eventuell tödliches Gift. Und ich bleibe auch dabei, dass Johannes Kram richtig liegt. Ihr Satz impliziert, ob Sie’s wollen oder nicht (s. meinen Kommentar zu „Die schrecklich-nette Homophobie der ‚Zeit'“):

    „Homophobie ist nicht zuletzt eine [natürliche / gesamtgesellschaftliche / sittlich gebotene] Reaktion auf die enormen Emanzipationsgewinne der Schwulen und Lesben.“

    Ich erwarte nicht von Ihnen, dass Sie den ersten Schritt tun – an dieser festgefahrenen Stelle im Diskurs. Stattdessen versuche ich mal vorauszugehen, indem ich dem Gift in mir selbst eine Stimme gebe:

    „Irgendwie kann ich es ja verstehen, wenn der heterosexuellen Mehrheit die Diskussion um und die Präsenz von LGBT zu viel wird. Schließlich ist das nur ein verhältnismäßig kleines Problem unserer Gesellschaft – gemessen an all den anderen Ungerechtigkeiten. Und dieses laute Gekreische der LGBT um dieses verhältnismäßig kleine Problem muss einem ja irgendwann auf den Sack gehen, als Hetero – selbst wenn man ursprünglich bei dem Thema eher relaxt war.“

    Homophobie ist keine Reaktion. Homophobie ist nicht einmal Aktion. Sie ist vorauseilender Gehorsam (und Panik) einer Hetero-Männlichkeits-Norm, die sich jederzeit dem Verdacht der Hetero-Peer-Männchen ausgesetzt sieht, dass sie die selbstauferlegten Männlichkeits-Konformitäts-Kriterien der Gruppe verfehlen könnte. Homophobie ist somit Voraussetzung jener somnambulen Grausamkeits- und Unterdrückungsbereitschaft der patriarchalen Herrschaft, die im Laufe der Menschheitsgeschichte Milliarden von Frauen und Männern auf brutalste Weise um ihr Leben gebracht hat – nur, weil diese sich der Hetero-Männchen-Konformitäts-Erfüllungs-Dauerpanik entzogen haben.

    Alles, was in diesem Kontext der Hetero-Männchen-Konformitäts-Erfüllungs-Dauerpanik als „Reaktion“ bezeichnet wird, lasse ich nicht gelten. Denn es ist Hetero-Männchen-Konformitäts-Erfüllungs-*Logik*, die dieses Wort „Reaktion“ ausgewählt hat. Und diese Logik tragen wir allen in uns. Wie Gift eben.

  5. Vielleicht sollte man hier zwischen einer Einstellung und dem Verhalten unterscheiden:

    Homophobie als ein Einstellungsmuster, als eine Variante des Empfindens und Erlebens ist gesamtgesellschaftlich tief verankert, darin stimme Johannes zu. Gleichermaßen ist es aber eben auch eine Frage der jeweiligen gesellschaftlichen Machtverhältnisse, ob und wie dieses Einstellungsmuster bei Angehörigen etablierter Gruppen artikuliert und damit auch in politische Kampagnen übersetzt wird: Wenn sich die homosexuelle Minderheit mit ihrer inferioren Stellung aufgrund sozialer Ohnmacht mehr oder weniger abfinden muss, also nicht aufmuckt, keinen Ärger macht, haben die Etabliertengruppen ja auch keinen Verlust ihrer Privilegien und ihres Sozialprestiges zu befürchten und widmen sich ihrerseits anderen Themen, z.B. den Frauen, die auf einmal mehr Rechte wollen.

    Sobald sich aber die Machtverhältnisse zugunsten der Außenseiter verschieben und sich die Etablierten dadurch bedroht sehen, bahnt sich die immer schon latent vorhandene Homophobie als Teil der Persönlichkeitsstruktur des Einzelnen ihren Weg auf immer aggressivere Weise nach draußen – und äußert sich dann auf Gruppenebene in einer ganzen anti-emanzipatorischen, homophoben Bewegung.

    Wie homophob die eigene Familie wirklich ist, merkt man ja meistens auch erst, wenn man den gleichgeschlechtlichen Liebesmenschen nach Hause bringt. Einstellung vs. Verhalten.

    Wenn J.Lau diesen Zusammenhang mit seinem Satz beschreiben wollte, hätte sich wahrscheinlich eine treffendere Formulierung als „Homophobie“ angeboten, also eine, die auf die soziale (oder sollte ich besser sagen: anti-soziale Tea Party Bewegung oder was auch immer) Bewegung eingeht – nicht auf das Einstellungsmuster. Denn dieses existiert auch, wenn alle Homosexuellen auf eine einsame Insel verbannt werden würden.

  6. Wann, wann, wann kapieren die selbst ernannten liberalen Eliten in diesem Land endlich, dass nicht sie selbst entscheiden und festlegen und die Deutungshoheit darüber haben, ab wann Minderheiten sich diskriminiert oder beleidigt fühlen dürfen, sondern die Minderheiten selbst? Das genau bedeutet der Schritt von Toleranz zu Akzeptanz. Genau diesen Schritt nicht gegangen zu sein, nicht bereit sein ihn zu gehen und nicht verstehen zu wollen, warum er zu gehen ist, unterscheidet die liberalen Eliten in Deutschland zunehmend von denen in echten westlichen Nationen.

  7. Naja, der Satz ist vielleicht etwas unglücklich formuliert. Der Autor wollte sagen, dass die Emanzipation von Schwulen und Lesben bei bereits homophoben Menschen Ablehnungsreaktionen verstärkt und eine Gegenreaktion hervorruft. Das kann man aber aus dem Artikel deutlich herauslesen und deshalb finde ich es auch nicht fair einen Satz einfach so aus dem Kontext zu reißen.

  8. Vermutlich erklärt uns Herr Lau als nächstes, dass die Einführung des §175 RStGB im 19. Jahrhundert auch eine Reaktion auf die Emanzipationsgewinne der Schwulen und Lesben in Preußen und im späteren Kaiserreich waren. Ach, das ist sicher was gaaaaaaaaaaanz anderes. Schließlich haben wir es mit einer „neuen Homophobie“ zu tun und nicht damit, dass der alte Hass noch immer da ist. Das sieht man ja auch überdeutlich an der extremen Homophobie in Ländern wie Schweden, Dänemark, den Niederlanden. In Ländern ohne Emanzipation (wie Iran, Saudi-Arabien, das IS-Gebiet) gibt es ja auch wesentlich weniger Verfolgung.

  9. „Ich möchte Herrn Lau hier um Gottes Willen keine Nähe zu den Neuen Rechten unterstellen… Aber…“

    An Unredlichkeit ist das nur schwerlichst zu überbieten. Und diese Nummer „mir geht es nur um den einen Satz, egal, was sonst in dem Artikel auftaucht“ ist nicht weniger heuchlerisch, wenn der erste Blogbeitrag betitelt wird mit „Die schrecklich-nette Homophobie der Zeit“.

    Wohlgemerkt: man kann über den Satz streiten, aus meiner Sicht ist er unglücklich. Aber Johannes Kram versucht daraus, eine Geisteshaltung eines Autors abzuleiten und eine Haltung einer gesamten Zeitung. Ne ganz miese Nummer.

  10. Die aktuelle Äußerung von Herr Lau scheint mir zumindest etwas zu erklären.
    Mit seiner hier getroffenen Äußerung, schwächt er seine ursprünglich Äußerung ab, sodass nur noch die Ziele von Homophobie von den Emanzipationsgewinnen abhängen:

    „Homophobie hat nicht zuletzt das Ziel, die enormen Emanzipationsgewinne der Schwulen und Lesben zurück zu drehen („ist eine Reaktion…“).“

    Durch diese Abschwächung entsteht natürlich eine ganz andere Aussage. In der ersten ist die Homophobie durch Emanzipationsgewinne begründet und jetzt hat Homophobie das Ziel die Emanzipationsgewinne zurückzudrehen. Die erste Aussage sagte aus, dass erst durch dieses Ziel Homophobie entstehen würde, das ist falsch und wird hier zurecht kritisiert. Homophobie findet in den Emanzipationsgewinnen nur eine weitere Zielscheibe, entsteht aber nicht dadurch.

  11. 1) Die Aggressivität der Schwulenhasser steigt, wenn sie Emanzipationsfortschritte sehen. Emanzipation verschärft die Widersprüche. Vom Vernichtungsfeldzug des Marcus Licinius Crassus gegen den Spartacus-Aufstand bis heute. Ist das so schwer zu verstehen?

    2) Sagt Ihnen das Wort „Kontext“ etwas?

    Disclaimer: Jörg Lau ist ein Kollege von mir.

  12. @ Gero von Randow

    zu 1.) Ja, das verstehe ich. Aber das hat Ihr Kollege eben nicht gesagt. Ist das so schwer zu verstehen?

    zu 2.) ja.

  13. Dann hätte der Satz aber von „durch Homophobie motivierten Anschlägen“ statt von der Homophobie selbst sprechen müssen. Das ist wichtiger Unterschied. Wenn die Homosexuellen im Keller bleiben, bleiben vielleicht auch die Homophoben im Keller, sind aber immer noch homophob.

  14. Ein einzelner Satz, eingebetet in einen zusammenhängenden Text, wird aus diesem herausgerissen. Dieser einzelne Satz – ohne Kontext – kann so oder so gedeutet werden (dies zeigt die lebhafte Diskussion in den beiden Blogeinträgen nur zu gut).
    Aus diesem Satz jetzt aber eine homophobe Einstellung abzuleiten, wohlwissend, dass der Rest des Textes nun absolut gar nicht in diese Kerbe haut und damit dem Autor Herrn Lau und (fast schon in Sippenhaft) der Zeit eine homophobe Einstellung zu unterstellen ist in der Tat bösartig.
    Klar steht hier geschrieben: „Ich habe nicht behauptet, dass sein Artikel homophob ist, ich habe nicht behauptet, dass er selbst homophob ist.“ Aber genau das wird mit den beiden Blogeinträgen immer und immer wieder suggeriert.
    Und die These, dass in jedem Menschen Homophobie und Rassismus „tief verankert“ sind, dient doch kaum mehr der als der Stütze der suggerierten Aussage: Alle Menschen sind homophob, Herr Lau hat etwas Homophobes gesagt, dann wird es bei ihm ja wohl besonders schlimm sein.
    Nur so kann ich den letzten Satz verstehen: „Nicht die Orte der Sichtbarkeit sind das Problem. Sondern die Orte – und auch die Zeitungen – an denen man die Sichtbarkeit zum Problem erklären will.“ Weder Herr Lau noch die Zeit wollen die Homosexuellen verschwinden lassen. Nicht die Sichtbarkeit wird zum Problem erklärt, vielmehr erklärt der diskutierte Satz doch nur, dass die Sichtbarkeit (der Homosexuellen) die Probleme (durch homophobe Personen) sichtbar macht. Dies ist keine Wertung sondern eine Beschreibung der Gesellschaft (und diese Homophobie zu verurteilen sei ein jeder aufgerufen).

  15. Herr Lau hat eindeutig geschrieben, dass die Homophobie eine Reaktion auf die zunehmende Emanzipation ist und nicht, dass sie dadurch an Aggressivität zunimmt. Er spricht dabei nicht über sich, sondern was es bei anderen als Reaktion zur Folge hat. Warum er sich also nun also derart aufregt, dass man ihn als homophob oder rechtslastig einstufen wollte, erschließt sich mir nicht. Johannes Kram ist einzig darauf eingegangen, dass zunehme Emazipation keine Homophobie ERZEUGT. Sie war immer schon vorher da.
    Warum Herr Lau das nicht sehen will und diesen Fehler schlicht zugibt und korrigiert, ist mir unverständlich. Er kann noch so oft schreiben, dass er nicht homophob ist, der Satz wird dadurch nicht richtiger oder logischer. Es sind einfach zwei paar verschiedener Schuhe.

  16. Ich sehe das auch kritisch nur einen einzigen Satz zu zitieren und den Kontext wegzulassen. Siehe als Beispiel auch die heute-show, die eine Linkenaktivistin zu einer Rechten machte.

    Kommunikation ist halt nicht absolut perfekt, was jemand meint, sagt und ein anderer versteht sind verschiedene Dinge, deshalb braucht es auch den Rest des Textes um zu interpretieren, was gemeint ist. Sicherlich ist der Satz unglücklich, eben weil er viel Raum für Spekulation lässt, was gemeint sein könnte. Und für sich allein klingt der Satz homophob, weil man interpretieren kann, dass die Homosexuellen selbst Schuld sind. Aber er steht nicht allein.

  17. Lieber Herr Lau,

    Ich kann die Reaktion von Johannes Kram verstehen –– ich hatte eine ähnliche, als ich den strittigen Satz las. Ich fände es gut, wenn sie für eine Weile einfach zuhören würden um diese Reaktion besser zu verstehen. Dabei geht es nicht unbedingt darum, wie sie den Satz gemeint haben oder was für eine Einstellung sie haben. Sondern es geht vor allem darum, wie dieser Satz von ihren Lesern verstanden wird –– als Journalist muss es ihnen doch wichtig sein, das zu wissen.

    Der Satz stellt einen kausalen Zusammenhang zwischen Emanzipation und Homophobie her: Emanzipation ist eine Ursache für Homophobie. Wie auch immer sie das gemeint haben, es lässt sich leicht in eine gesellschaftliche Debatte einordnen, in der z.B. der CSD und die “öffentliche Zurschaustellung von privaten Vorlieben” immer wieder für Homophobie mitverantwortlich gemacht wird. In einem Artikel in der Zeit von 2013 (“Zu viel Fetish beim CSD”) argumentiert der Autor z.B. wie folgt:

    Kein Wunder also, dass manche Menschen in unserer Gesellschaft der Meinung sind, Schwule seien nicht normal. Diese Menschen mögen intolerant und unaufgeklärt sein, aber ist es ihnen zu verdenken, wenn das einzige, was sie von Schwulen zu Gesicht bekommen, eine alljährliche Ansammlung von Exhibitionisten ist?

    Sie haben all das vielleicht nicht gemeint. Aber viele ihrer Leser, die solche Gedankengänge überzeugend finden, verstehen Ihren Satz in genau diesem Zusammenhang. Wenn das von Ihnen nicht beabsichtigt ist, dann wäre es doch wichtig, das ganz explizit zu sagen. Ich würde mir wünschen, dass sie –– anstatt von Kram’s Kritik beleidigt zu sein –– sich damit konstruktiv auseinandersetzen.

    Zweitens:
    Mal abgesehen davon, ob die Behauptung solcher kausalen Zusammenhänge Schwulen und Lesben eine Mitverantwortung an Homophobie zuweist –– ich frage mich, ob der behauptete Zusammenhang so unstreitig ist, wie sie und Ihr Kollege von Randow es darstellen. Stimmt es wirklich dass “Homophobie nicht zuletzt das Ziel [hat], die enormen Emanzipationsgewinne der Schwulen und Lesben zurück zu drehen”? Stimmt es wirklich, dass “die Aggressivität der Schwulenhasser steigt, wenn sie Emanzipationsfortschritte sehen”?

    Zum einen übersieht diese Darstellung die ganz alltägliche Homophobie in der Familie, der Schule, in der Kirche, am Arbeitsplatz, etc., die für die meisten unsichtbar ist, die aber für die Betroffenen ganz enorme Folgen hat. Folgen, die die often viel gravierender sind, wenn es an Sichtbarkeit von Schwulen und Lesben in der Gesellschaft fehlt.

    Die Theorie passt auch nicht so richtig zur Geschichte staatlicher forcierter Homophobie im 20. Jh.: Auf welche Emanzipationsgewinne war die Schwulenverfolgung durch die Nazis denn eine Reaktion? Oder die Verfolgung von Schwulen in der frühen Bundesrepublik (§175)?

    Wir sollten nicht vergessen, dass der Begriff der Homosexualität (zusammen mit dem der Heterosexualität) am Ende des 19. Jh. von Medizinern und Psychiatern erfunden wurde, letztlich um Menschen mit vermeintlich sexuellen “Abarten” besser zu kontrollieren. Diese moderne Form von Homophobie war keineswegs eine Reaktion auf Emanzipationsgewinne, sondern eine neue, perfide Form der sozialen Kontrolle (mit Auswirkungen nicht nur für Homosexuellen, sondern ebenso für Heterosexuelle). Die frühe Schwulen- und Lesbenbewegung war eine Reaktion auf diese Entwicklungen. Sie war unter anderem deswegen erfolgreich, weil sich Menschen, die mit solchen quasi-medizinischen Labels identifiziert wurden, sich diese Identifizierung zu eigen machten und die damit verbunden Wertungen umkehrten –– mit viel Mut und unter grossen persönlichen Opfern. Die forcierte Sichtbarkeit von Schwulen und Lesben (die vor jeder rechtlichen Emanzipation stattfand) war also eine Reaktion auf Homophobie und auf die Tatsache, dass diese für uns wesentlich gefährlicher ist, wenn sie für die Gesellschaft unsichtbar ist. Die AIDS Aktivisten von ActUp haben das verstanden, als sie “ SILENCE = DEATH” zu ihrem Slogan machten.

    Angesichts der jüngsten Debatte um Homophobie und die Rechte von LSBTI Menschen in unserer Gesellschaft wäre es wichtig, wenn sie die ZEIT und ihre Redakteure mit dieser Geschichte auseinanderzusetzen – nicht nur um Missverständnisse zu vermeiden, sondern vielleicht auch um einen Beitrag zur Aufklärung zu leisten.

  18. Hm, umso mehr lesbische und schwule Liebe Anerkennung erfährt und öffentlich sichtbar wir, desto stärker zeigen Homofeinde ihre Ablehnung. Ein Phänomen, was man tagtäglich besichtigen kann. Die Kritik des Autors erscheint mir spitzfindig und, sorry, daneben.

  19. Ich habe eine Frage.
    Was ist so schwer daran, zu sagen: „Verzeihung, das hab ich falsch ausgedrückt, ich meinte dies und das“ und das dann in dem Originalartikel so zu ändern?
    Das passiert allen möglichen Leuten ständig. In Artikeln wie in literarischen Werken. Und anstatt sich in irgendwelchen Ausflüchten zu verrennen, ändern die da halt was. In Zeiten des Internets ist das kein großes Ding mehr, da müssen keine Auflagen erneuert werden, es reicht ein Bearbeitungsvermerk. Das macht man so, wenn einem wichtig ist, dass die Leser Aussagen so verstehen, wie man sie meinte.
    Ja, ich kenne auch den hier behandelten Beißreflex. Aber ich dachte, bei den Profis nimmt das mit der Zeit ab.

  20. Liebe Herren Kram und Lau,

    mein Bruder ist homosexuell, ich vermiete an ein lesbisches Pärchen, das finde ich alles völlig ok – aber immer wieder der Rede wert, weil ungewöhnlich dass beides auf mich zutrifft, den klassischen Familien-Hetero.
    Als Abonnent der Zeit empfand ich die strittige Sentenz denn auch als Zustandsbeschreibung meiner selbst. Und meines Umfelds: Die Geschwindigkeit der zunehmenden Akzeptanz von unkonventionellen Lebensmodellen lässt Einige temporär zurück.
    Ich fände es dämlich, augenblicklich noch mehr politcal correctness einzufordern als es der stritige Artikel in der Summe tut.

  21. @ Johannes Kram

    Ich muss gestehen, dass den ursprünglichen Artikel von Herrn Lau nicht gelesen habe, ich bin nur über Bildblog auf Ihre Repliken gestoßen. Aber Sie sagen ja selber, dass es nur um den einen Satz geht.

    Ihren ersten Eintrag von letzter Woche fande ich schon schwach, weil Sie genau das machen, was Sie Herrn Lau vorwerfen, und diesen Fehler auch hier wiederholen. Sie unterstellen dem kritisierten Satz als Allgemeinplatz daherzukommen, der nicht weiter begründet werden müsse, und halten ihm dann Homophobie vor, die sie selber als nicht weiter zu begründenden Allgemeinplatz äußern (in etwa „das ist doch so offensichtlich homophob“).
    Und dann unterstellen Sie noch eine Verbindung mit Hr. Martenstein, die Sie ebenfalls einfach in den Raum stellen, ohne eine Verbindung zu Hr. Lau zu begründen. Es sind letztendlich Behauptungen, von denen Sie ausgehen, dass es keiner weiteren Begründung bedarf…das finde ich unfair und schwach in der Argumentation.

    Den kritisierten Satz verstehe ich so: Gewaltakte gegen Homosexuelle oder LGTB’s in den USA (!) mögen darin begründet liegen, dass der Staat darauf ‚verzichtet‘ gegen diese vorzugehen. Bestimmte Leute (‚echte‘ Homophobe) sehen darin ein Vakuum und fühlen sich daher legitimiert oder aufgefordert einen eingebildeten ‚gerechten Kampf‘ geben LGTB’s selbst mit Gewalt führen zu müssen. Nach dem Motto: ‚Wenn der Staat es nicht macht, MUSS ich es machen.‘

    Ich maße mir kein Urteil darüber an, ob das Stimmt, aber es ist doch eine legitime These über die in der Sache (!) gestritten werden kann. Homophobie kann ich beim besten Willen darin nicht erkennen.

    Grüße
    Stephan

    Disclaimer: Ich habe keinerlei Verbindung zu Hr. Lau.

  22. „Homophobie ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die enormen Emanzipationsgewinne der Schwulen und Lesben.“
    Der Satz enthält überhaupt keine irgendwie geartete Wertung. Schon gar nicht eine Schuldzuweisung. Es ist lediglich eine These. Man kann ihr zustimmen oder sie ablehnen und sagen: Nein – die Homophobie ensteht nicht dadurch dass Homosexuelle „sichtbar“ werden sondern sie ist vorher schon da. Das Problem ist, das sich hier manche einen völlig unzulässigen Umkehrschluss ziehen bzw. diesen dem Autor unterstellen: Nämlich das die Lösung für Homophobie folglich eine Umkehr der Emanzipation wäre. Das hat der Autor aber niergends gesagt.

  23. Sehr geehrter Herr Kram,

    man kann aus Mücken Elefanten machen. Man kann Beißreflexen verfallen und Homophobie mit größter Empörung dort verfolgen, wo sie gar nicht ist. Und man kann dabei in seinem Furor auch sehr resistent gegen jede Art von seröser Gegenargumentation sein.

    Hierzu gehört jedoch nun mal der Kontext, in dem ein Satz steht. Ich nehme mal an, das bestätigt mir auch jeder Sprachwissenschaftler, jeder Jurist und jeder Ottonormalleser. Die Fokussierung auf einen von seinem Kontext isolierten Satz ist zumeist völlig verfehlt. Sie wird gerne von Leuten angewandt, die vereinfachen, polemisieren oder diffamieren wollen. Sie ist entweder naiv oder unredlich.

    Beispiele dafür gibt es genug, vom „Unrechtsstaat“ über die „Armlänge“ bis hin zur Erwähnung, dass eine Person Jude sei. Gerade bei letzterem entscheidet erst der Kontext, ob sich dahinter Antisemitismus verbirgt oder nicht.

    Der Satz „Homophobie ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die enormen Emanzipationsgewinne der Schwulen und Lesben.“ kann tatsächlich eine Verantwortlichkeit der Opfer konstruieren wollen. Er muss es aber nicht. Er kann genauso eine schlichte Kausalität benennen, die existiert, ob wir wollen oder nicht. Dass Homosexuelle heute deshalb Ziele und Opfer von homophoben Hass sind, weil sie sich die Rechte der Heterosexuellen erkämpft haben und ihre Sichtbarkeit sie erst als geeignete Opfer erscheinen lässt.

    Über die Verantwortlichkeit für Homophobie ist damit noch nichts gesagt. Genauso wenig, wie wenn ich – wesentlich sinnloser – behaupte: „Ohne Homosexuelle gäbe es keine Homophobie.“ Wenn Sie nun in diesen Satz die Bedeutung hineinlesen, „Die Schwulen sind selbst schuld am Hass, der sie trifft.“, dann enthält er diese Botschaft jedenfalls nicht objektiv – auch nicht losgelöst von seinem Kontext. Er ist schlicht neutral.

    Nehmen wir als Gegenbeispiel Herrn Möllemann: „Ich fürchte, dass kaum jemand den Antisemiten, die es in Deutschland gibt, leider, die wir bekämpfen müssen, mehr Zulauf verschafft hat als Herr Scharon und in Deutschland ein Herr Friedman mit seiner intoleranten und gehässigen Art.“ Da ist die Botschaft eindeutig.

    Herr Kram, kommen Sie besser dorthin zurück, wo die Diskriminierung Homosexueller noch immer real existiert. Vielleicht nicht am Nollendorfplatz. Aber in den Kleinstädten, den Dörfern, den Fußballvereinen, der Bundeswehr, der Polizei – ganz zu schweigen von China, den muslimischen Ländern und, und und.

    Aber bitte verkämpfen Sie sich nicht mit diesem Satz und diffamieren sie nicht weiter ungewollt, die „Zeit“ und den Autor!

    Mit freundlichen Grüßen
    Roland Menzenberg

  24. Ich habe leider erst jetzt das Interview mit Lea DeLaria in einem schon etwas älteren SPIEGEL gelesen und bin dabei auf diese Aussage gestoßen: „Je mehr wir un­se­re Rech­te durch­set­zen, je mehr wir die Her­zen und Köp­fe der Men­schen er­rei­chen – des­to hef­ti­ger wer­den uns jene be­kämp­fen, die uns we­gen un­se­rer An­ders­ar­tig­keit has­sen.“ Ich habe nicht verstanden, was an diesem Satz von Lea DeLaria so anders sein soll im Vergleich zu dem von Dir so heftig kritisierten Satz von Herrn Lau. Ich halte die Formulierung von Herrn Lau für ziemlich verunglückt. Aber ich habe keinen Zweifel daran, wenn ich den kompletten Artikel lese, dass er exakt dasselbe meint. Sorry, aber Deine Empörung kann ich diesmal ausnahmsweise gar nicht nachvollziehen.

  25. @ Rüdiger

    Lieber Rüdiger, das sind zwei verschiedene Dinge. Natürlich stacheln sich die Kämpfe an. Aber die Homophobie ist keine Reaktion auf diese Kämpfe, sie war vorher schon da, und nur darum geht es hier.

  26. Hinweis: Einige Kommetare werden durch einen Spamfilter geblockt, entweder wenn keine vollständigen Namen, Mailadressen oder externe Links enthalten sind.

  27. Oje… der Verschlimmbesserer ist nicht Herr Lau, sondern unser Blogger… Einen einzelnen Satz ohne Rücksicht auf den Text, in den er eingebettet ist, nehmen und ohne ihn auf seinen Sinn zu überprüfen, in möglichst negativer Weise deuten, das ist weit unter dem hier sonst gepflogenen Niveau. Nicht Herr Lau hat sich vergaloppiert.

  28. @ Ralf und alle anderen, die hier immer wieder auf den Kontext verweisen: Nein, der Kontext macht den Satz nicht weniger homophob. Auch in einem nicht-homphoben Artikel kann ein homophober Satz stehen.

  29. Lieber Herr Kram,

    der Satz ist völlig neutral. Unabhängig vom Kontext.

    Die Verwendung der Worte „enorme Emanzipationsgewinne der Schwulen und Lesben“ lässt in meinen Augen sogar relativ deutlich Sympathien für diesen Prozess erkennen. Auch bei kritischer Interpretation kann das nicht als „sind schuld/verantwortlich“ für Homophobie ausgelegt werden.

    Außer der Kontext ist ein völlig anderer… Aber jagen Sie ruhig weiter Chimären hinterher… Vielleicht ist das die angemessene Reaktion auf eine Phobie… 😉

    RM

  30. Im 13. Absatz dieses Blogposts las ich mit Erschrecken folgendes:

    „Wir alle (und auch Herr Lau) können homophobe Sachen sagen, auch wenn wir für homosexuelle Liebe kämpfen wollen. Ja, wir können sogar homophobe Sachen sagen, wenn wir selber homosexuell sind.“

    Diese Sätze sind ein Hammer.

    Ungefähr so ein Hammer, wie zu behaupten, dass man als Schwarzer einen Freibrief hätte, sich offen rassistisch zu äußern. Dass einem so etwas erlaubt sei, nur weil man selbst zu einer diskriminierten Gruppe gehört.

    Das Schlimme (weil so brilliant-heimtückische) an diesen Sätzen ist, dass sie einfach für sich stehen, also nicht als gewagte These diskutiert werden, sondern als Allgemeinplatz, der keiner weiteren Begründung bedarf.

    Der Autor sagt hier ganz klar, dass sich jeder, jederzeit, homophob äußern darf. Ganz egal, wie man zur Gleichstellung Homosexueller steht, ganz egal ob man selbst schwul oder lesbisch ist. Das ist nichts weiter als ein Freibrief für Hassrede und offene Unterdrückung. Diese Art des Gutheißens von Intoleranz führt die Emanzipationsbewegung ganzer Jahrzehnte ad adsurdum, was dann im weiteren Schluss wohl auch bedeutet, dass der Autor und der gesamte Blog sich auf dem Weg ins gesellschaftliche Abseits befinden.

    Ich möchte jetzt bitte nicht auf den Kontext dieser Sätze hingewiesen werden, sondern die Sätze ganz für sich allein analysieren und maximal missverstehen dürfen.

  31. Hallo…

    Ich zitiere Sie mal, weil es zu Umfangreich wäre, immer wieder hoch und runter zu scrollen. Ich hoffe dies ist in Ordnung.

    …Bedauerlich ist, dass er da die Sache noch schlimmer macht.

    Eigentlich tun Sie dies mit diesem Artikel, Herr Kram.

    …Seine Erwiderung ist ein Paradebeispiel dafür, wie schwer es in Deutschland ist, darüber zu sprechen, was homophob ist.

    Und einen einzelnen Satz zu separieren und bewusst ohne Kontext zu dekonstruieren zeigt ein weiteres Problem, welches unter anderem auch in Deutschland zunimmt: Die völlige Verflachung eines Themas, die Reduktion auf beinahe Schwarz und Weiß.

    …Die Scheinlogik, nach der ein Satz, eine Aussage, ein Beitrag nicht homophob/rassistisch/antisemitisch sein kann, weil sich an anderer, auch an „übergeordneter“ Stelle, anders geäußert wird. Doch das ist falsch.

    Da sind Sie ganz klar im Irrtum. Um ein Problem anzusprechen, muss man auch mögliche Ursachen benennen dürfen, ohne dafür an den Pranger eines selbstgerechten Deutungsmobs gestellt zu werden.

    …Ich möchte Herrn Lau hier um Gottes Willen keine Nähe zu den Neuen Rechten unterstellen (dazu gibt es weder hier, noch in irgendeinem anderen Artikel, den ich von ihm gelesen habe, irgendeinen Anlass, im Gegenteil).

    Warum schreiben Sie das jetzt? War Ihre Grundhaltung nicht die, sich nur auf diesen einen Satz zu beziehen?

    …Aber mit dem Muster seiner Argumentation verhält er sich genau wie die, die behaupten, dass sie das, was sie gesagt haben gar nicht gemeint haben können, weil sie ja in einem anderen Zusammenhang an anderer Stelle etwas anderes gesagt haben.

    Und schon wieder. Was für ein Muster von welcher Argumentation sprechen Sie, wenn Sie sich doch nur auf diesen einen Satz beziehen wollten? Der Satz benennt doch lediglich einen rudimentären Fakt, welchen man, bettete ihn man in den entsprechenden Kontext ein, doch deutlich beschrieben bekommt.

    Sie ändern hier nach Gutdünken ihren Fokus… Auf diese Weise könnte man so ziemlich alles in negatives Licht rücken.

    …Es gibt nicht die eine große Mauer, die die Guten von den Bösen trennt. Weder die guten von den bösen Menschen, noch die guten von den bösen Sätzen.

    Das behauptet Herr Lau mit diesem einen Satz auch ganz sicher nicht.

    …Homophobie ist kein Virus, der die einen befällt und die anderen nicht, weil sie immun dagegen sind.

    Homophobie hat, wie Rassismus auch, viele Nährböden. Und Herr Lau hat Recht, wenn er als eines von vielen Kernelementen die immer stärker werdende Präsenz Homosexueller benennt. Dasselbe Problem sehe ich zum Beispiel im erweiterten Kreis meiner Familie. Hier ist das Problem jedoch eher der Rassismus.

    Noch vor ein paar Jahren waren die Gesprächsthemen belanglos. Doch jetzt, wo in den Medien die Flüchtlingsthematik rauf und runterleiert und ein Flüchtlingslager in der Nähe errichtet wurde, herrscht beinahe offener – und leider auch sehr viel Zustimmung findender – Rassismus. Und dieser macht nicht innerhalb der Familie halt. Kollegen, sogar Freunde, äußern sich immer „finsterer“ über dieses Thema.

    Daran sieht man, dass verstärkte Präsenz jedweder Art, sei es in den Medien oder im Stadtbild, durchaus dazu beiträgt dass eine bisher ruhende Aversion gegenüber einer Sache plötzlich eine Eigendynamik entwickelt. Aufgeschaukelt dadurch, dass man sich mit einem Male in einer viel größeren Gruppe Gleichgesinnter wiederfindet. Homophobie folgt dem gleichen Schema, wenngleich im Moment auch nicht mit der gleichen Intensität.

    …Auch wenn es uns schwer fällt einzugestehen: Homophobie und Rassismus sind in uns allen tief verankert…

    Das ist richtig, aber der Satz von Herr Lau bestreitet diese Tatsache ja auch nicht.

    …Wir können, müssen versuchen, dies zu überwinden.

    Nicht alle können das. Zu glauben dies wäre so, wäre eine verzerrte Abbildung jedweder Realität. Versuchen müssen wir es natürlich dennoch, das ist wahr.

    …Doch wenn wir so tun, als gäbe es nichts zu überwinden, zementieren wir die Strukturen, die wie eigentlich bekämpfen wollen.

    Wer ist denn „wir“ in diesem Fall? Es gibt bereits genug Menschen, die Homophobie längst überwunden haben oder nie welche hatten. Überzeugen müsste man all jene anderen Menschen, auch der deutschen Regierung, welche noch immer an Gesetzesstrukturen festhält und Homosexuellen nicht die gleichen Rechte einräumt wie Heterosexuellen. Hier müsste man Ansetzen und so lange auf die Straße gehen, bis dies passiert ist. Bleibt man untätig oder chauffiert sich über einzelne Sätze, die im Kern leider stimmen, DANN zementiert man eine Struktur weil vielleicht irgendwann niemand mehr das Problem anspricht.

    …Ein Problem wird es doch erst dann, wenn einer sich selbst als liberal empfindenden Zeitung nicht auffällt, wenn ihnen ein homophober satz in einem Leitartikel auf der Titelseite rutscht.

    Und wieder ändern Sie den Fokus, wie es Ihnen beliebt. Wäre der Satz denn anders zu werten, wenn die Zeitung sich nicht als liberal empfinden würde?

    Und wieso wird es „erst dann“ ein Problem? Also wenn jemand zum Beispiel sein Kind bewusst homophob erzieht wird es erst ein Problem wenn es irgendwo jemand in einem Artikel schreibt? Ernsthaft?

    …Oder dass sie, wenn es ihr schon nicht auffällt, dann zumindest versucht, die Kritik zu verstehen, mit der sie dann – von Vielen geteilt – konfrontiert wird.

    …Es ist der Zeitung nicht aufgefallen, weil die Kritik dahinter schlichtweg falsch ist. Weil es eine Kritik ist, die durch eine einzige Interpretation entsteht und alle anderen Möglichkeiten kategorisch ausschließt, weil sie sie der Sache wegen ausschließen will. Und dieses „von Vielen geteilt“ habe ich auch bei der Gauland-Boateng sache gesehen… Das bedeutet (manchmal) gar nichts…

    …(Erstens schieb er im Originalartikel, dass „Homophobie nicht zuletzt eine Reaktion auf die enormen Emanzipationsgewinne“ sei, während er hier behauptet, er habe von der „neueren“ >Homophobie gesprochen.

    Dies musste er doch tun, weil Sie seinen Satz so interpretiert haben, als hätte er geschrieben: „Der Hauptgrund für Homophobie sind die Emanzipationsgewinne.“

    Hat er aber nicht. Für mich als Leser implizieren die Worte „nicht zuletzt“ dass die Emanzipationsgewinne nur ein Grund von vielen sind. Und es ist sogar derart offensichtlich, dass man sich schon bewusst Mühe geben muss, aus diesem Satz etwas anderes herauszulesen.

    …Zweitens steht im Originaltext, dass Homophobie „nicht zuletzt eine Reaktion auf die Emanzipationsgewinne“ seien, während es hier nur heißt, dass sie „etwas damit zu tun“ hätte. Das alles mag er ja irgendwie so gemeint haben, geschrieben hat er es nicht)

    Das ist Wortklauberei. Er hat bereits dargelegt, wie er es gemeint hat. Auch wenn er es (für Sie) im Originalzitat nicht ausreichend genug formuliert hat, gibt es eigentlich keinen vernünftigen Grund, diese Schiene weiter zu fahren.

    …Sein Satz ist und bleibt falsch weil er Ursache und Wirkung vertauscht und sie ist homophob, weil sie so tut, als wären Homosexuelle Schuld an der Wut auf sie.

    Ihre Interpretation ist das, was falsch bleibt. Denn niemand hat je behauptet, dass die Emanzipationsgewinne die einzige Ursache von Homophobie wären. Wer das so versteht, wie Sie es verstehen, der WILL dies aus irgendwelchen Gründen nur so und nicht anders verstehen.

    Nochmal: Eine ähnliche Wirkung habe ich auch beim Gauland-Zitat über Boateng gesehen. So viele Menschen, die es eigentlich besser wissen müssten, Intelligente Menschen, Doktoren… haben sich darüber aufgeregt… „wie kann er nur“… „so ein Rassist…“ Dabei hat er nur den Ist-Zustand beschrieben. Und das ist auch schon alles. Und nein, ich bin kein AfD-Fan.

    …Wie gesagt, den Attentäter von L.A. hat es nicht gegeben, und der von Orlando hat eben nicht die Sichtbarkeit. Er hat keinen Pride angegriffen, sondern einen Schutzraum hinter verschlossenen Türen.

    Ignorieren wir mal die Zugehörigkeit des Attentäters zu jener Sicherheitsfirma und alle möglichen politischen Aspekte… „Homosexuelle in Sichtweite“ bedeutet nicht ausschließlich die physische Nähe. Ein Rechtsradikaler muss auch nicht in der Nähe eines Asylantenheimes wohnen, um es anzugreifen, der würde auch 2 Stunden fahren, wenn er es müsste.

    Außerdem bedeutet Nähe, bzw. Präsenz… in diesem Fall auch die sich ausbreitende Akzeptanz in den Medien, in Kinofilmen, Serien, in den Ländern in denen Homosexuellen die Rechte von Heterosexuellen gegeben werden usw. usf.

    …Denn: So wie es zum Antisemitismus im Prinzip keine Juden braucht, braucht es zur Homophobie keine Homosexuellen.

    Das ergibt keinen Sinn… Denn „da sein“ müssen sie schon.

    Alles, was Sie im nachfolgenden Absatz schreiben, ist dann aber richtig, doch das bestreitet ja auch niemand. Ein Feindbild muss es immer geben, dann hat der Tag Struktur, sagte ja auch schon Volker Pispers. Und daran gibt’s auch nichts zu rütteln. Aber Sie predigen hier gerade dem Gläubigen, weil außer Ihnen niemand behauptet hat, es wäre nicht so.

    …Im Dritten Reich wie im IS und anderswo wurden Homosexuelle nicht verfolgt, weil sie so sichtbar waren. Sie wurden und werden diskreditiert,kompromittiert und umgebracht um an ihnen ein Beispiel zu statuieren, ein Zeichen zu setzen, was nichts mit ihnen, sondern mit denen zu tun hat, die dieses Zeichen für irgendetwas brauchen. Dass Homosexuelle (oder das Bild, das von ihnen gezeichnet wird) auch provozieren, hat damit nichts zu tun.

    Richtig, aber diese Tatsache schließt nicht aus, dass eine verstärkte Präsenz einer bestimmten Gruppierung unter gewissen Umständen nicht doch dazu führen kann, dass die Meinung der Masse plötzlich kippt. Gerade in der heutigen Zeit müsste dies doch allzu deutlich sichtbar sein.

    …Ach ja: Wie groß ist denn die Wut dort, wo es die meisten Fortschritte gegeben hat, etwa in den Niederlanden, wo es schon seit 15 Jahren die Ehe für alle gibt?

    Wie wollen Sie das messen? An der Anzahl Übergriffe auf Szeneclubs? Homophobie unterliegt nicht dem Dogma eines Gruppenphänomens, sondern beginnt bei jedem Einzelnen. Ob eine Person leicht die Nase rümpft ob eines homosexuellen Pärchens oder ganz offen seinen Hass rauslässt… das sind doch alles nur Abstufungen, bleiben aber Homophobie.

    Was bringt eine 95-prozentige Toleranzquote, wenn die Anzahl derer, die tatsächlich _akzeptieren_ in Wirklichkeit viel kleiner ist?

    …Die Wut ist kein Zeichen für die vielen Fortschritte.

    Doch, diese Wut ist AUCH (nochmal: AUCH) ein Zeichen dieser Fortschritte. Ich konnte es bei anderen spüren und hören. Warum wollen sie diese einfache Wahrheit nicht erkennen?

    …Es ist nicht mal die Wut auf homosexuelle Menschen, sondern auf das, wofür man sie verantwortlich macht.

    Die Intentionen des Hassenden sind dem Betroffenen egal.

    …Nicht die Orte der Sichtbarkeit sind das Problem. Sondern die Orte – und auch die Zeitungen – an denen man die Sichtbarkeit zum Problem erklären will.

    Sie haben doch eingangs geschrieben, dass es in Deutschland so schwer sei, über ein solches Thema zu schreiben. Dabei sind Sie es doch selbst, der es letzten Endes für alle so schwer macht. Es muss erlaubt sein, den Finger auf eine Wunde zu legen, von der Sie glauben, sie existiere in dieser Form nicht. Präsenz – egal welcher Art – kann, und wird es in den meisten Fällen auch, bereits vorhandene Ressentiments verstärken. Ich sehe es bei meiner Familie, bei meinen Kollegen, bei meinen Freunden.

    Hier müssen wir einhaken, hier müssen wir dran arbeiten, und nicht auf Texteschreiber zeigen, die nichts weiter machen als ihren Job – auch eine Seltenheit dieser Tage.

    Grüße… Sarabi

  32. @Sarabi

    viel Zeit und Text, der leider das Problem nicht verstanden hat. Der Satz von Herrn Lau, wollte man ihn irgendwo zitieren, heißt: „Homophobie ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die enormen Emanzipationsgewinne der Schwulen und Lesben.“ Wenn er diesen Satz schreibt und ihn nicht näher erläutert, dann bleibt er so im Raum stehen. Da nützt auch all das Geschreibe danach nichts, wenn es nicht auf diesen Satz näher eingeht. Sprich: es gibt in dem Artikel keinen Kontext zu diesem Satz. Also steht der Satz für sich alleine und muss eben auch so zitiert werden können.
    Der Satz sagt eindeutig und unmissverständlich aus, dass Homophobie eine Reaktion ist…also ENTSTEHT/ERWÄCHST/ERZEUGT wird aufgrund der zunhemenden Emanzipationsgewinne. Wenn aber ein Mensch absolut keine homophoben Gefühle hat (es ihm schlicht am Arsch vorbei geht, ob einer schwul oder lesbisch ist), dann wird auch eine zunehmende Ematipation dies nicht ändern (Außer man würde ihm dadurch etwas wegnehmen, dann wäre er zurecht sauer). Zeigen sie mir Menschen, die nicht vorher homophob waren und es nun wurden, weil Schwule und Lesben präsenter geworden sind. Und wir reden hier eben nicht von Wut oder Ärger, weil Schwule vorher sie nicht tangiert ahben udn nun blöder Weise immer präsenter und selbstbewusster werden und man das Thema nicht einfach ausblenden kann….nur weil dieser Mensch bisher keine REAKTION gezeigt hat, heißt es eben nicht, dass er NICHT homophob war vorher…

    Eigentlich ganz einfach….und Herr Lau hätte einfach nur sagen brauchen“ ups, das kann in der tat falsch verstanden werden, ich korrigiere das mal lieber“..stattdessen pocht er auf seine Unredlichkeit und verteidigt seine Haltung als homofreuindlich…und merkt einfach nicht, dass er schlicht einen Fehler gemacht hat. Zwar kann man sich vermutlich denken, dass er den Satz anders gemeint hat und wenn man nicht ganz verblödet ist, weiß man auch, was er (vermutlich) tatsächlich ausdrücken wollte, aber er hats nun mal nicht.

  33. Ich erlaube mir noch, sozusagen vom Ende dieser polarisierten Debatte her, einen versöhnlichen Vorschlag:

    Es gibt im Beitrag und in den Kommentaren im Wesentlichen folgende Deutungen des Satzes von Jörg Lau:
    – Der Satz ist in jeder Lesart richtig (Emanzipationsgewinne erzeugen nicht nur mehr Aggression, sondern auch zusätzliche Ressentiments).
    – Der Satz zielt in die richtige Richtung (nämlich auf die zunehmende Aggression einer konstant existierenden Homophobie) und ist im Kontext auch problemlos so zu verstehen.
    – Der Satz zielt in die richtige Richtung (s. oben), die Formulierung ist aber ungenau / verunglückt.
    – Der Satz ist ungewollt Ausdruck einer vom Autor verinnerlichten Homophobie bzw. einer von ihm nicht ausreichend hinterfragten Common-sense-Diskriminierungslogik.

    Vielleicht ist aber auch die gesamte Debatte Ausdruck eines anderen, sehr zeitgemäßen Problems: das Reden *über* andere. Die Anmaßung zu glauben, man wüsste, was in anderen oder den Zugehörigen anderer Gruppen vor sich geht.

    Alles, was dabei herauskommt, ist eine Seite, die angreift, und eine, die sich verteidigt.

    Ich finde es legitim und wichtig, Jörg Lau darauf hinzuweisen, dass der Satz so, wie er da steht, problematisch ist, weil er Lesarten in sich trägt, die der Autor nicht intendiert hat. Ob der Satz aber ungewollt Ausdruck einer verinnerlichten, gesellschaftlich konstituierten Abwertungs- und Diskriminierungslogik (die wir ja dann alle verinnerlicht hätten) ist, kann nur er selbst beantworten. Für sich. Im stillen Kämmerlein. Und er ist uns – ganz im Sinne Foucaults – kein Eingeständnis schuldig.

    Wir können ihn aber danach fragen. Vielleicht beginnt ja auf diese Weise ein Dialog.

  34. @Peter
    (Zitate wieder mit …)

    …Wenn er diesen Satz schreibt und ihn nicht näher erläutert, dann bleibt er so im Raum stehen.

    Naja auf diesen einen Satz heruntergebrochen hat Herr Lau ihn ja nicht selber. Das hat wer anders getan… und das habe ich unter anderem ja auch bemängelt. Der Satz selbst zeigt eben nur auf einen Fakt, aber er allein kann unmöglich wertend betrachtet werden. Aber genau das wurde er. Sollte er aber nicht.

    …Der Satz sagt eindeutig und unmissverständlich aus, dass Homophobie eine Reaktion ist…also ENTSTEHT/ERWÄCHST/ERZEUGT wird aufgrund der zunhemenden Emanzipationsgewinne.

    Richtig, und in diesem speziellen Fall ist dies ja auch so. Am Beispiel Rassismus habe ich das ja versucht zu verdeutlichen. Ich kenne Menschen, die haben sich nie mit dem Thema „Ausländerhass“ beschäftigt, haben sogar viele türkischstämmige Freunde und nie hat auch nur ein Hauch von „Oh, du bist aber beängstigend anders“ – Stimmung in der Luft gehangen.

    Dann gab es diesen beinahe exponentiellen Anstieg von Berichterstattungen in den Leitmedien und in den sozialen Netzwerken.

    Und exakt die gleichen Menschen glauben nun plötzlich, dass die Syrer ja nur hier sind, weil sie hier das neueste Handymodell umsonst bekommen, sie sehen Nachrichten über Köln und gehen nun jedem etwas dunkelhäutigerem beim Einkaufen aus dem weg. Sie sehen Fakeberichte über Schweinefleisch- und Kreuzverbote und fühlen sich auf einmal bedroht. Sie sehen Charlie Hebdo und Paris und haben plötzlich Angst, jemand kommt mit einem Sprengstoffgürtel zum Netto nach Kuhfälltumdorf.

    Ergo: Erhöhte Flüchtlingspräsenz ist die URSACHE dieser Form des Rassismus. Es spielt dabei keine Rolle, ob die tatsächlichen Gründe für jeden logisch denkenden Menschen absurd sind. Klar könnten Sie jetzt sagen: Dann waren das eben schon alles vorher Rassisten. Aber so einfach ist die Sache eben nicht.

    Bei Homophobie beobachte ich (in kleinerem Rahmen) das gleiche Phänomen. Ich kann schon auf einige Menschen zeigen, die sich – seit ich sie kenne – nicht homophob geäußert haben, im Zuge einer TV-Serie, welche einen schwulen Mann thematisierte, plötzlich abwertende Kommentare von sich gaben, einfach nur weil die gesamte Folge sich um jenen Mann drehte. Und als Begründung heißt es dann: „Jetzt sind die (schwulen) auch schon bei Bauer sucht Frau, irgendwann is mal gut.“

    …Wenn aber ein Mensch absolut keine homophoben Gefühle hat (es ihm schlicht am Arsch vorbei geht, ob einer schwul oder lesbisch ist), dann wird auch eine zunehmende Ematipation dies nicht ändern

    Doch, das kann durchaus passieren, wenn dieser Mensch immer wieder mit (vermeintlich) negativen Aspekten konfrontiert wird. Stichwort: Homosexuelle sind schuld an AIDS. Das ist kein Scherz, ich kenne erwachsene Menschen die glauben tatsächlich, dass AIDS ENTSTEHT, wenn Männer miteinander schlafen. Das haben die früher in ihrer Kindheit einfach aus den Medien „herausgehört“ und sich bis heute schlichtweg nicht die Mühe gemacht, diesen Irrtum mangels Interesse zu korrigieren.

    …(Außer man würde ihm dadurch etwas wegnehmen, dann wäre er zurecht sauer).

    Exakt… Das Problem ist hierbei, dass jeder Mensch unter „wegnehmen“ etwas anderes versteht. Ein Paradebeispiel ist hier die Ehe. Pragmatikern ist es vermutlich wurscht, ob zwei Männer heiraten… Es gibt aber auch gläubige Menschen denen ist die Ehe wiederum heilig, weswegen sie durchaus das Gefühl bekommen könnten, hier wird der heilige Bund relativiert… er wird quasi zu etwas belanglosem, was sowieso jeder haben kann.

    Wem gesteht man nun das Recht zu, sauer zu sein?

    …Zeigen sie mir Menschen, die nicht vorher homophob waren und es nun wurden, weil Schwule und Lesben präsenter geworden sind. Und wir reden hier eben nicht von Wut oder Ärger, weil Schwule vorher sie nicht tangiert ahben udn nun blöder Weise immer präsenter und selbstbewusster werden und man das Thema nicht einfach ausblenden kann….nur weil dieser Mensch bisher keine REAKTION gezeigt hat, heißt es eben nicht, dass er NICHT homophob war vorher…

    Sehen Sie… das ist das Problem weshalb ich in meinem Ursprungspost die Frage in den Raum gestellt habe, wie man bitteschön Homophobie messen will. Wenn ich so einen Satz schreiben würde wie Herr Lau, dann kann ich mich AUSSCHLIESSLICH auf die sichtbare, gesellschaftliche Homophobie beziehen, und nicht auf die latente Grundhaltung eines einzelnen. Ich kann nur prüfen, ob zwei Daten (Präsenz Homosexueller / Homophobie) auffällig korrelieren oder nicht.

    …Eigentlich ganz einfach….und Herr Lau hätte einfach nur sagen brauchen“ ups, das kann in der tat falsch verstanden werden, ich korrigiere das mal lieber“..stattdessen pocht er auf seine Unredlichkeit und verteidigt seine Haltung als homofreuindlich…und merkt einfach nicht, dass er schlicht einen Fehler gemacht hat.

    Oder wir atmen alle durch und tun das, was Sie ja sogar selber geschrieben haben:

    …Zwar kann man sich vermutlich denken, dass er den Satz anders gemeint hat und wenn man nicht ganz verblödet ist, weiß man auch, was er (vermutlich) tatsächlich ausdrücken wollte, aber er hats nun mal nicht.

    Denken, zurücktreten, nicht zwanghaft negativ deuten. Natürlich bin ich mir bewusst, dass man den Satz auch anders auffassen KANN. War wie gesagt bei Gauland-Boateng genauso, dennoch muss man es ja nicht auf Biegen und Brechen so umschreiben, als gäb´s nur die dunkle Seite.

    Grüße………. Sarabi

  35. Ich halte den Satz von Herrn Lau auch unabhängig vom Kontext für absolut korrekt. Er gilt nicht nur für die LGBT Community sondern für jede Menschenrechtsbewegung und jede progressive Idee. Als sich Rosa Parks auf einen Sitzplatz für Weiße setzte und um ihr gutes Recht dafür kämpfte, schäumten die Rassisten vor Wut. Als die Suffragetten für die Einführung vom Frauenwahlrecht demonstrierten, schürten sie den Hass der Chauvinisten. Als die Arbeiter sich zusammen schlossen, um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen durchzusetzen, riefen die Manchester-Kapitalisten nach der Armee. Bis zum Triumph steigerte jeder Etappensieg, jeder Erfolg und jedes gestiegene Selbstvertrauen dieser Menschen den Hass der Reaktionäre verglichen mit dem alten Status Quo. Waren diese Menschen selbst „schuld“ an den Aversionen gegen sie? „Schuld“ im Sinne von „schuldig gemacht“ und moralisch verwerflich natürlich nicht. Wer diese Interpretation in den Kontext hinein interpretiert, hat irgend einen Komplex. Haben diese Menschen den gesteigerten Hass provoziert? Ja, klar. Und sie können stolz darauf sein. Sie waren Helden.

  36. Diese beiden Texte des Blog-Autors sind so lächerlich. Es gibt soviel echte Homophobie, über die es sich zu schreiben lohnt, doch der Autor geilt sich daran auf, einen nicht 100%ig sauber formulierten Satz seinem Kontext zu entreißen, und das schlimmstmögliche reinzuinterpretieren und den Autor ordentlich runterzuputzen. Woher kommt diese Wut, dieser Hass?
    Selbstverständlich muss man den Kontext beachten, wenn man einen Satz interpretiert.

  37. Die völlig überzogenen Reaktionen auf diesen Blogeintrag zeigt deutlich den Hass, den viele Heterosexuelle gegenüber Homosexuellen empfinden.
    Und ebenso, welche fanatischen Beißreflexe ausgelöst werden, wenn man auch nur wagt, das anzusürechen.

    Die aggressiven Überreaktionen der Heteros sind bezeichnend. Getroffene Hunde bellen, wie man so schön sagt.

    Siehe auch Sarabis Beitrag, der ja absichtlich versucht, Tatsachen zu verdrehen. Beispiel:
    „Ergo: Erhöhte Flüchtlingspräsenz ist die URSACHE dieser Form des Rassismus. “

    Eben nicht. Die Medienreaktion und Präsenz negativer Artikel ist es. Diese sind nicht zwangsläufig.

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert