7/2 – „Rote Linien ziehen!“ Von Rainer Hörmann / ‚Samstag ist ein guter Tag‘

Tage7Blogger – 2. Tag

7 Jahre 2
Willkommen zur schwulen Bloggerwoche. Anläßlich des Siebenjährigen dieses Blogs schreibt eine Woche lang jeden Tag ein anderer schwuler Blogger über die letzten sieben Jahre: Was bedeuten sie für die homosexuelle Emanzipationsbewegung, was für das schwule* Leben in Deutschland? Was hat sich verändert, wo standen wir damals, wo stehen wir heute?

 

Rote Linien ziehen!

von Rainer Hörmann / ‚Samstag ist ein guter Tag‘

 

Das Initiationserlebnis des Nollendorfbloggers war die Protestaktion vor einer Eisdiele am Berliner Nollendorfplatz, deren Besitzer ein Lesbenpärchen attackiert hatte. (Damals hätten Johannes Kram und ich uns treffen können, denn ich war auch zugegen. Getroffen haben wir uns bis heute nicht! Bloggerschicksal!) Vor sieben Jahren kamen über 2000 Menschen zusammen, die „gemeinsam“ eine rote Linie zogen: „Hier hört der Spaß auf, das Hinnehmen von Angriffen auf unsere Würde und vor allem die Bereitschaft zum Bagatellisieren. So eindringlich habe ich das zum ersten Mal erlebt.“ Aber Johannes Kram sah auch, dass die mediale Begleitung meist wichtiger ist als die Tat selbst. Und dass ‚Meinung‘, vor allem, wenn sie sich homophober Stereotype aus der (Eis-)Truhe bedient, schnell zur Hand ist, um die Forderung nach einem Ende von Gewalt gegen Schwule und Lesben als selbst gewalttätig zu diskreditieren.

Seitdem versucht das Nollendorfblog den Spagat zwischen Aufruf zur Aktion und kritischer Medienbeobachtung, wie in diesem Land auf Leben und Handeln von Homosexuellen reagiert wird. Im Rückblick lässt sich sagen, dass es nicht zuletzt Teile der Community selbst sind, die ihn eiskalt auflaufen lassen – wie z.B. eine kleine Anfrage beim LSVD Berlin-Brandenburg und dessen Reaktion zeigte. Ausflüge in die kritische Beobachtung der schwulen Welt sind auf dem Nollendorfblog eher Episode. Umso konsequenter der Weg über Kritik von Mainstream-Ereignissen und deren Bedeutung für Schwulen und Lesben heute, wie etwa die Initiative zum Waldschlösschen-Appell und eine Debatte um das Vorführen von Schwulen durch TV-Talkshows, die Homosexuelle zwingen, sich für ihr So-Sein zu rechtfertigen.

Das Nollendorfblog versucht, Begeisterung für eine Gesellschaft zu wecken, in der und für die es sich zu streiten lohnt. Jenen Impuls weiterzugeben, dem sich das Blog selbst verdankt. Die Aktion der „Rainbow Flame“, die Unterstützung von „Enough is Enough“, der Aufruf zur finanziellen Unterstützung von Medien wie „queer.de“. Mir ist der dabei gelegentlich gepflegte Kampagnen-Sprech des Blogs etwas fremd. Artikel im „Mach mit!“-Werbepathos klicke ich weg. Das liegt sicher daran, dass ich mittlerweile die schwule Welt auf ihrem hohen Niveau skeptisch betrachte. Johannes Kram hat sich dagegen – und ich schätze ihn dafür! – eine Faszination und Zuversicht fürs Machen wie fürs diskursive Kämpfen bewahrt.

So wie sich die Community in den letzten sieben Jahren weiter ausdifferenziert und den Mechanismen einer globalisierten Markt-Ideologie unterworfen hat, sind das mediale Bild (und dadurch auch die Beurteilung) von Schwulen und Lesben in die marktkonformen „Mainstream“-Medien diffundiert. Das gibt immerhin die Optionen, dort einzutauchen und auf kluge Weise nicht unterzugehen. Oder sich eine eigene Stimme, etwa in Form eines Blogs, zu geben, um irgendwie ‚von außen‘ zu sichten, um dann ‚mittendrin‘ mitzumischen. Die Möglichkeit bewahren, rote Linien dort zu ziehen, wo sie nötig sind. Das war vor 70 wie vor sieben Jahren wichtig und wird es auch in Zukunft sein.

www.samstagisteingutertag.wordpress.com

Rainer Hörmanns „Samstag Blog“ gibt es seit schon seit Oktober 2007. Aber es ist nicht nur eines der ältesten regelmäßigen deutschen schwulen Blogs, sondern auch eines der meinungsstärksten. Und vielleicht auch das „zuverlässigste“: Sein Blog liest sich teilweise wie eine kommentierte Chronik der relevanten bekannten und eher unbekannten LGTBI-Themen der vergangenen Jahre, mit auch auffällig viel Kultur und „Internationalem“. Rainer ist Autor zweier Bücher „zum Zustand der schwulen Welt: „Samstag ist ein guter Tag zum Schwulsein“ (2005) und „Immer wieder samstags“ (2011). Nach eigener Aussage interessiert er sich als Autor hauptsächlich der Frage, „was Menschen in einer individualisierten und ökonomisierten Welt zusammenhält und ob es im dröhnenden Hier und Jetzt überhaupt noch Raum für ein Anderssein gibt.“

Linktipp für Einsteiger (schon älter, aber aktuell):  Putin wird sich freuen! Die schwarz-rote Koalition fügt Deutschlands Schwulen und Lesben eine Niederlage zu

Bisher auf „7 Jahre“ (Aktueller Nachtrag):

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