Am 25. Oktober hatte das Stück „Fear“ an der Berliner Schaubühne Premiere, in dem u.a. die AfD Europaabgeordnete und „Demo für Alle“-Organisatorin Beatrix von Storch, na ja, nicht besonders gut weg kam (SPIEGEL:„Die Parteifunktionärin Beatrix von Storch erscheint auf der Bühne, erst im Bild mit zerrauftem Haar in Mikrofone geifernd, dann als leibhaftige Figur in wollüstiger Umarmung mit dem Geist ihres Nazi-Großvaters“). In der gleichen Nacht wurde das Auto von Frau von Storch angezündet.
Vieles spricht dafür, dass es sich dabei um einen gezielten Brandanschlag handelt. Sehr wenig bis gar nichts spricht dafür, dass der Vorfall eine unmittelbare Folge der Theaterpremiere ist. Denn wäre dem so (ganz abgesehen davon, dass „Fear“ weder direkt noch indirekt zu Gewalt aufgerufen wird), dann müsste es nur noch Theater geben. Nicht, weil man damit Menschen dazu verleiten kann, Autos anzuzünden (was, fürs Protokoll, natürlich nie, nie nie eine Option sein darf). Sondern, weil es ja dann möglich wäre, ganz generell Menschen innerhalb nur eines Abends zu Handlungen zu bewegen, die sie vorher weder gedacht noch geplant hatten. Im Schlechten wie im Guten. Wenn Theater wirklich diese Macht hätte, dann bräuchte es, nur mal so als Beispiel, einfach nur mehr gutes Theater in Sachsen, und wir müssten die dortigen Flüchtlingsheime nicht von der Polizei schützen lassen.
In Falk Richters Stück wird eine Verbindung zwischen der politischen Hetz-Agenda rechtspopulistischer Kräfte wie Pegida, AfD und der „Demo für alle“ und nationalsozialistischem Gedankengut hergestellt. Dass dies nicht im Sinne der neuen Rechten, insbesondere der AfD ist, erklärt der SPIEGEL so:
„Auf keinen Fall möchte die Parteispitze, dass sich das Image der AfD als Handlanger rechter Hetzer verfestigt. Nur mühsam konnte sich die Partei im Sommer wieder fangen, nachdem sie sich in heftigen Personalkabalen zerlegt hatte. Nun liegen die Umfragewerte wieder bei acht Prozent bundesweit – vor allem wegen der Flüchtlingskrise. 〈Frauke〉 Petry glaubt, dass sich die Zahlen nur halten lassen, wenn die Partei nicht als Wiedergänger der NPD auftritt. Sie setzt alles daran, die AfD als gemäßigte Kraft zu etablieren (…)“
„Fear“ tut also genau das, was im derzeitigen Interesse der AfD gerade nicht passieren soll. Darin liegt die eigentliche Macht dieses Stücks. Theoretisch verständlich also, dass die AfD-Spitze davon träumt, den „Fear“-Machern ein brennendes Auto unterjubeln zu können, mit dem sich die Aufklärer der Hetze selbst als Hetzer brandmarken liessen. Dass sich aber ein Nachrichtenmagazin ganz praktisch dafür hergibt, aus einem temporalen einen kausalen Zusammenhang zu machen, ist schon beachtlich:
„Anschläge nach Schaubühnen-Hetzstück“ titelt der FOCUS und schreibt noch ein weiteres Auto auf die Rechnung der Theatermacher. (Einige Tage nach der Schaubühne-Premiere brannte in Magdeburg das Auto der „Demo-für alle“-Frontfrau Hedwig von Beverfoerde, im Internet gab es einen anonymen Bekenner-Post, jedoch ohne einen Bezug zum Theaterstück).
Seinen Lesern stellt das Magazin Frau Beverfoerde als eine Frau vor, die „sich gegen Genderideologie im Unterricht wendet“. Genderideologie ohne Anführungszeichen. Die Aufklärung zur sexuellen Vielfalt Ideologie zu nennen, gehört zum Best Of der Kampfprogaganda der neuen Rechten. Der FOCUS bemüht sich gar nicht erst, seine Unterstüzung für deren Agenda zu verschleiern.
Auch das ist ein Erfolg von „Fear“. ♦
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Hier geht es zur Premierenbesprechung des Nollendorfblogs von „Fear“
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Weitere externe Informationen zum Thema:
queer.de: AfD prüft Klage gegen Theaterstück „Fear“
Deutscher Kulturrat: „Fear“ darf nicht abgesetzt werden
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Aus dem Blog-Archiv:
Broder/Anda/Matussek: Wenn alte Männer „Müssen“ müssen
Aus verschiedenen wissenschaftlichen Publikationen und subjektiv, wenn ich zufällig auf Artikel von fucus.de oder der huffpo im netz stoße, sehe ich beide Medien als extrem nahe an antifeministischen und maskulistischen Diskursen, ich weiss nur gerade nicht wie sich das genau personell niederschlägt, aber Thomas Gesterkamp und Hinrich Rosenbrock haben da schon vor Jahren drauf hingewiesen.
Insofern ist es nur ein weiterer Baustein, dass der Focus Genderideologie ohne Ansführungsstriche als Tatsache hinstellt. Das scheint dort redaktionelle Leitlinie zu sein.
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