„Unverantwortlich“ hat der CSU-Vorsitzende die Idee der Gleichstellung genannt und die „hohe religiöse und moralische Verantwortlichkeit“ der politischen Führung herausgestellt, die diese verhinderte.
Der CSU-Vorsitzende, von dem wir hier reden, heißt nicht Horst Seehofer, sondern Franz Josef Strauß. Und dessen Worte dienten nicht der Verteidigung der Hetero-Ehe in Deutschland, sondern der der Apartheid in Südafrika. Das Bekämpfen von gesellschaftlichen Emanzipationsprozessen ist seit der Zeit von Franz-Josef Strauß als CSU-Vorsitzender ein „Markenkern“ der sogenannten Christsozialen.
Noch 1988 lobte Strauß die Apartheid-Regierung, zwei Jahre später ist Alexander Dobrindt in dessen Partei eingetreten. Nicht trotz, sondern wegen Strauß. Im Bundestagswahlkampf 2013 war es Dobrindts Aufgabe als CSU-Generalsekretär, das „konservative Profil“ der Partei zu schärfen, um konservativ genannte – tatsächlich aber reaktionär gesinnte – „Stammwähler“ zu binden.
Hierzu hatte er sich zwei Strategien ausgedacht: Das Zündeln erstens fremdenfeindlicher („Ausländer-Maut“) und zweitens homophober Ressentiments, indem er mit unter der Gürtellinie („Schrille Minderheit“) gegen die Gleichstellung von Lesben und Schwulen hetzte.
Dobrindt war es offensichtlich wichtig, dass seine schmutzigen homofeindlichen Attacken nicht als überhitzte Äußerungen im Eifer des Gefechtes verstanden wurden. Sondern als kluge gezielte wahlkampfstrategische Maßnahmen zum Machterhalt. Die Zeitung DIE WELT berichtete anerkennend, wie „konstruiert, ja papiern diese Provokation angelegt war“. Und dass sie funktioniert hat.
Es wäre wohl zu einfach zu sagen, dass Dobindts Wahlkampfstrategie und der damit verbundene hohe Wahlerfolg der CSU den Ausschlag für Merkels Machterhalt gewesen ist. Aber ganz trennen lässt sich beides nicht. Merkels „Bauchgefühl“ gegen die Gleichstellung homosexueller Paare war ein deutliches Signal an die von den Unionsparteien anvisierten konservativen Ultras, dass man es sich mit ihnen nicht verscherzen möchte.
Ob die „Ehe für alle“ kommt oder nicht, ist für die Union keine Frage von Moral und Werten, sondern eine des Machtkalküls: Es geht darum, ob man es sich erlauben kann, auf die Zustimmung der Homo-Hasser verzichten zu können.
Entscheidend wird hierbei sein, wie unangenehm sich der Rest der Gesellschaft dabei fühlt, Teil der Traditionspflege einer Regionalpartei zu sein, deren Verkommenheit sich nicht nur dadurch zeigt, dass sie bis heute ihre Parteizentrale nach einem Helden der Apartheid benennt. ♦
—
Update (24.06.2107)
Nachdem die CSU zusammen mit der CDU seit Jahren die „Ehe für alle“ aus parteipolitischen Gründen verhindert, haben Grüne, FDP und SPD diese nun zu einer Bedingung für zukünftige Koalitionen erklärt. Dies hat Seehofer heute kritisiert und gefordert, solch „höchstpersönliche Entscheidungen“ sollten nicht Teil einer Parteipolitik werden.
(Foto: Von Freud – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 )
–
Hintergrund:
“Konstruierte Provokation”: Die WELT erklärt die Bedeutung der Diffamierung von Homosexuellen für den CSU-Wahlkampf
Super Kommentar. Endlich spricht jemand aus, was ich seit 50 Jahren hier in Bayern erlebe und machtlos bin.