Im April habe ich in diesem Blog eine Initiative mit dem Ziel gestartet, die ZDF-„heute show“ mit dem queeren Medienpreis auszuzeichnen.
Weil damals in den Medien „alte homophobe Erzähl- und Erklärmuster“ wieder aufflackerten und gerade neue dabei waren, etabliert zu werden, sollte ein Preis für die „heute-show“ dazu beitragen, „solche Muster zu entlarven“ und auch für andere Medienmacher dabei eine „Inspiration und Ermutigung“ sein können.
Viele Personen (und auch einige Institutionen) haben sich damals dieser Initiative angeschlossen. Der Berliner CSD e.V. war nicht dabei. Um so schöner, dass der Verein dann die Idee für einen eigenen Preis für die „heute-show“ hatte.
Morgen (Freitag, 20. Juni 21014) wird die ZDF „heute-show“ auf der sogenannten „Stonewall Gala“ des Berliner CSD e.V. im Deutschen Theater mit dem „Soul of Stonewall Award“ ausgezeichnet. Was die Seele von Stonewall ist (oder ob es sie überhaupt gibt) konnte leider von den Veranstaltern (trotz mehrmonatigem Deutungskrieg der hauptstädtischen Szene-Aktivistinnen und -Aktivisten) nicht erklärt werden.
Doch auch wenn man nicht so recht weiss, was dieser Preis ist: Man darf wohl davon ausgehen, dass die „heute show“ ihn verdient hat.
Es gibt schliesslich fast keinen Preis, den das Format mit dem Moderator Oliver Welke noch nicht abgeräumt hat.
Lassen wir also die Funktionäre streiten und kümmern uns um die Inhalte. Ein paar Tage vor der Verleihung habe ich dem ZDF-Redakteur im Team „heute-show“, Rahul Das Gupta ein paar Fragen gestellt.
Nollendorfblog: Die „virulente Homolobby“ bekommt einen Preis von der Homolobby. Kann man das den homphoben Verschwörungstheoretikern überhaupt erklären?
Das Gupta: Menschen mit geschlossenem Weltbild wird man nichts erklären können, weder als Nachrichtensendung, als Magazin, noch als Satireshow.
Nollendorfblog: Ihr seid als Comedy-Format positioniert. Trotzdem hat man den Eindruck, dass Ihr gesellschaftspolitische Themen vor allem journalistisch aufbereitet.
Das Gupta: Wir bereiten fast alle Themen zunächst journalistisch auf und schauen dann, wo lustige Aspekte stecken. Das gilt nicht für Themen, die von vornherein zum Ablachen abstrus sind.
Nollendorfblog: Wie „findet“ Ihr die Themen für die Sendung?
Das Gupta: Als Wochenrückblick ist es fast so, dass die Themen uns finden. Einerseits gibt die laufende Woche etwas vor, andererseits bahnen sich Ereignisse an, die heuteshow-seitig beleuchtet werden wollen.
Nollendorfblog: Als die Union im letzten Jahr mit Ressentiments gegen Lesben und Schwule Wahlkampf gemacht wurde, war das für die meisten Medien kein grosses Thema. Warum war es ausgerechnet die „heute show“, die die homophoben Hintergründe so stark beleuchtet hat?
Das Gupta: Nicht zuletzt durch das Bundesverfassungsgericht und in Folge dessen durch die – von uns so genannte – gescheiterte rosa Revolution in der CDU waren „Homo-Ehe“ und „Homo-Rechte“ in den Medien präsent. Die Äußerungen der Kanzlerin in der ARD-Wahlarena waren uns dann ein dankbarer Anlass, um sich als Wochen- aber auch Jahresrückblick (Stichwort Rosa Vollpfosten) damit zu beschäftigen.
Nollendorfblog: Wie lesbisch, wie schwul ist die „heute show“?
Das Gupta: Klar, so ne Show hat kein eigenes Geschlechtsleben. Unsere Stammautoren sind lesbische Männer, größtenteils verheiratet. Mit Frauen.
Nollendorfblog: Wie schaffen es die heterosexuellen Autoren, was den meisten homosexuellen Showleuten – und sogar den allermeisten lesbischen und schwulen Aktivistinnen und Aktivisten – nicht gelingt: Homophobie als solche zu erkennen, und so zu erklären, dass es Homos und Heteros verstehen?
Das Gupta: Vielleicht, weil wir in Köln produzieren? Ist das wirklich so bei den Showleuten und AktivistInnen? Ich kann das gar nicht wirklich „beantworten“ – es scheint mir, dass wir – und da meine ich das komplette Team – möglicherweise offener, ideologiefreier und ungehemmter durchs Leben gehen, als vielleicht andere… So abgegriffen es klingen mag: Phobien und Vorurteile stehen einem „gesunden Menschenverstand“ im Weg.
Nollendorfblog: Als die “heute show” bezichtigt wurde, von einer “virulenten Homolobby” gesteuert zu sein, hat sie sich selbst als solche erklärt. Wart Ihr Euch sicher, dass das so ein Coup werden würde?
Das Gupta: Wir haben die Vorwürfe eines Herrn Sebastian K. aus Facebookistan einfach nur satirisch weitergesponnen und die „virulente Homolobby“ zu unserem Sponsor erklärt. Ein Gag. Der Vorwurf machte uns zunächst ratlos: Muss man Kinder haben, um für Kinder- und Jugendschutz zu sein? Muss man hungrig sein, wenn man für Opfer von Hungersnöten spendet? Das war eine „Jetzt-erst-recht-Haltung“. Mit dem Echo haben wir nicht gerechnet.
Nollendorfblog: Lesbische Aktivistinnen werfen der „heute show“ vor, frauenfeindlich zu sein … .
Das Gupta: Ach? Und dabei haben wir uns – zum Beispiel – öfter für eine Quote ausgesprochen, als die SPD, die Kanzlerin und Ursula von der Leyen zusammen.
Nollendorfblog: Oliver Welke betont immer, das ZDF lasse der „heute show“ freie Hand. Aber steckt nicht vielleicht – zumindest beim Thema Homophonie – doch eine Strategie des Senders dahinter, homophobe Sünden auf anderen Sendeplätzen damit relativieren zu können?
Das Gupta: Ganz entschiedenes Nein. Das würde sich Oliver Welke auch weder innerhalb des Teams, noch vom ZDF gefallen lassen. Die Themen der Sendung werden von Redaktion (ZDF und Produzent), Autoren und Olli gemeinsam besprochen. Da liegt Homophobie als Thema genauso auf dem Tisch, wie Energiewende und Leyens Wohlfühl-Armee – und was auf den Tisch kommt, wird bearbeitet! ♦
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zum Thema in diesem Blog:
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