Dass wir jetzt einen schwulen Außenminister haben, wird von der veröffentlichten Meinung von zwei Seiten aus betrachtet: Entweder man findet das Ganze bemerkenswert, weil er so normal geworden ist, oder man findet es eben nicht bemerkenswert, weil es so normal geworden ist.
Beides ist Quatsch und die, die das schreiben, wissen das. Nur weil etwas gut so ist, ist es noch lange nicht normal.
Wenn ein Zug der Bundesbahn pünktlich kommt, ist das zum Beispiel gut so, aber nicht normal. Wenn in den Zeitungen steht, dass die Züge der Bundesbahn im Grossen und Ganzen pünktlich sind, dann ist das erstmal gut für das Vertrauen der Bürger in ihre Bahn. Trotzdem ist es eine Lüge. Und da die Bürger weiter Zug fahren und merken, dass das mit der Pünktlichkeit so eine Sache ist, werden sie die Lüge bemerken. Und dann?
Es ist ein Unterschied, ob etwas normal ist oder ob etwas normal sein sollte.
Nein, reden wir nicht über den Iran, nicht über Russland und nicht über Polen. Die Tatsache, dass das zur Zeit gefährlichste Regime der Welt, der größte Energielieferant und das (zweit) wichtigste Nachbarland von homophoben Strukturen und Politikern geprägt sind, spricht nicht für gegen und nicht für einen schwulen deutschen Außenminister.
Aber darf man deshalb so tun, als ob das egal sei? Wie wenig es egal ist, dass Angela Merkel ostdeutsch und Frau ist, hat sie gestern vor dem Amerikanischen Kongress demonstriert. Obama ist gewählt worden, nicht obwohl, sondern auch weil er schwarz ist. Joschka Fischer ist nicht trotz, sondern auch wegen seiner Vergangenheit Außenminister geworden. Das Private, die eigene Geschichte ist ein Statement, ein Politikum, gerade dann, wenn noch etwas normal werden muss.
Es klingt nach Beschwörung, wenn es heißt, das Westerwelles Homosexualität egal und normal ist. Dass „es“ sich um eine „Privatsache“ handelt ist nicht Meinung sondern Hoffnung vieler. Es ist aber keine Privatsache, als Schwuler in Warschau diskriminiert, in Moskau verprügelt und in Teheran gehängt zu werden.
Was auch immer Westerwelle daraus macht. Als Aussenminister ist er ein Politikum. Die Zeitungen sollten es ihren Lesern zumuten.♦
Wollen wir ernsthaft glauben, das Herr Westerwelle für die Rechte der Schwulen und Lesben in den Ländern der Welt Partei ergreift, die uns am Galgen hängen sehen wollen?
Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.