Die Geschichte von Stefan Raabs dummen Hund und der schwulen Sau

„Erwarten Sie jetzt bitte keine billigen Schwulenwitze von mir“, sagte Stefan Raab in seiner ersten TV-Total Sendung nach dem Coming Out des ehemaligen Fußball-Bundesliga-Profis Thomas Hitzlsperger.

Raab wusste, dass man heute ganz genau hin hören würde. Denn so unerwartet das Coming Out des Ex-Spielers Hitzlsperger auch war, so sehr wurde das Coming Out eines prominenten Fussballers erwartet, ersehnt, und von manchen auch gefürchtet. Die Reaktionen der Medien würden zeigen, ob offenes Schwulsein im Jahr 2014 nicht nur okay ist sondern auch möglich. Möglich auch in dem dem Sinne, nur weil man offen schwul ist ,nicht gleichzeitig ungefragt als frivole Witzvorlage herhalten zu müssen.

Stefan Raab hat gewusst, was er da macht. Und machte es trotzdem. Hitzelsperger? „Ein verdienter Fußballspieler: VfB Stuttgart hat er gespielt, Zenit St. Penisburg, Erzgebirge Aua, Manfister United, und so weiter. Mehr brauche ich nicht zu sagen.“ Nein, mehr brauchte er nicht so sagen.

MännerGrafik
Dieser Text ist Teil meines Artikels aus dem aktuellen „Männer“-Heft zum Schwerpunkt „Schwule in den Medien“.

Als ich Stefan Raab Ende der 90er kennen lernte, war er nicht mehr VIVA und noch nicht Pro7. Er war dabei eine neue Rolle zu finden, nicht mehr Nische sondern grosses Fernsehen. Ich war damals Manager von Guildo Horn, noch war offen, mit welchem Song der „Meister“ beim bevorstehenden deutschen Vorentscheid des Eurovision Songcontest auftreten würde, und Raab hatte  „Guildo hat Euch lieb!“ produziert, den Titel, der es dann auch werden sollte. Bei einer unserer Treffen in seinem Studio spielte er einen Song vor, den er  gerade für das neue Album für die Band „Die Prinzen“ geschrieben hatte: „Mein Hund ist schwul, die dumme Sau“ heisst es da im Refrain. Das ginge natürlich  nicht gegen die Schwulen, meinte er, sondern gegen den Hund. Der eben etwas komisch sei. Ob ich das lustig fände, wollte von mir wissen. Von mir als Schwuler.

Damals war es schwer, Raab nicht lustig zu finden. Erstens, weil er es war.  Und zweitens, weil Raabs Respektlosigkeit, sein Rütteln an erstarrter Korrektheit schon einen Wert an sich darstellte. Wer Raab nicht lustig fand, war nicht locker. Und Nicht-Locker-sein war so ziemlich das Schlimmste, was man zu Beginn der Nuller Jahre sein konnte.

Im folgenden Jahrzehnt wurde Raab und das von ihm propagierte Lockerheit zum Leitprinzip eines neuen Unterhaltungsfernsehens. Alles, was schräg und schrill war, war klar im Vorteil. In den Nachmittag-Talkshows der Privatsender herrschte der Gender-Zoo. Schwul war cool, und man hätte es fast geglaubt, wenn es nicht immer auch wie eine Beschwörung geklungen hätte. Denn parallel zum Aufstieg Raabs als Held einer neuen Generation von Fernsehguckern machte auch ein Begriff Karriere, der für diese Generation so selbstverständlich geworden ist, wie die Tatsache, dass Menschen mit Wok-Pfannen unter dem Hintern Eispisten herunter jagen. Es ist die Karriere des Adjektivs „schwul“ als Dehnbegriff des Unaussprechlichen.  Es funktioniert vom Pullover der „voll schwul“ ist bis zur Sau, der schwulen, die als Lieblingsbeleidigung nicht nur von den Schulhöfen nicht mehr weg zu denken ist.

Schuld daran ist nicht der Prinzen-Raab Song vom schwulen Hund, der es nicht zum Hit geschafft hat. Schuld daran ist auch nicht Stefan Raab, das wäre zu einfach, denn auch er kann nur Trends aus etwas machen, das es schon gibt und eine Dauerpointe nur so lange strapazieren, wie man über sie lacht. Und doch war und ist die Geschichte von Raab und den Schwulen prägend für das Bild vom Schwulen in den Medien. Es ist eine verhängnisvolle Medienaffaire. Verhängnisvoll vor allem für die Schwulen.

„Mein Hund ist schwul, die dumme Sau

er macht nicht kläff, er macht nur wau er ist als Pudel ein Ästhet

dem öfter mal die Nudel steht

was meistens nur im Rudel geht.“

Dass ich darüber nicht lachen kann, kann Raab nicht verstehen. Er will darüber diskutieren. Nein, auch wenn er immer so tut, es ist ihm nicht egal, was andere denken, was andere fühlen. Raab will polarisieren, aber im Endeffekt will er von allen geliebt werden, auch von den Schwulen. Raab sagt, er hätte den Song ganz vielen schwulen Freunden und Kollegen vorgespielt und die hätten alle kein Problem damit.

Stimmt das?

Ich sage ihm, dass ich das bezweifele. Aber warum sollten sie so etwas sagen, wenn es nicht stimmt, fragt mich Raab. Ja, warum?

Vor einigen Jahren habe ich für meinen Blog eine Talk-Veranstaltung zum Thema „Schwulsein in der Schule“ besucht. Dort sprach u.a. ein Schulsprecher, Gymnasiast, schwul, selbstbewusst. Wie auch die an der Diskussion beteiligten Lehrer und Bildungspolitiker behauptete er, dass die „schwule Sau“ nichts mit „schwul“ zu tun habe. Sie sei weder als Beleidigung von Schwulen gemeint sei, noch werde sie von ihnen als solche wahrgenommen.

Auch ihn habe ich gefragt, ob das wirklich stimmt.

Ich habe ihn gefragt, ob seine Unbedenklichkeits-Erklärung in Sachen „schwul“ als Schimpfwort nicht auch mit der Gleichgültigkeit der Heteros zu tun habe, vor allem der der Lehrer, die darin kein Problem sehen wollten. Ob es nicht doch versetzend sei,  „schwul“ immer wieder als etwas zu hören, dass man tunlichst vermeiden sollte. Ob er und andere Schwule auf dem Pausenhof  vielleicht einfach gelernt hätten, einfach wegzustecken, auch wenn es eigentlich weh tut. Erst schwieg er eine Weile. Ruhig und sichtlich bewegt erzählte er dann davon, wie alltäglich diese Beleidigungen seien, und wie sehr er gelernt habe, diese nicht als solche empfinden zu dürfen.

Es gibt einen Unterschied zwischen „über etwas lachen können“ und „etwas lächerlich machen“. Der Witz an Raabs schwulem Hund ist dessen Lächerlichkeit, und das ist nicht witzig. ♦

(Nachtrag: 27. März 2014: “Die Prinzen” und der “schwule Hund”: Wieso regen sich eigentlich alle über Bushido auf?)

Dieser Text ist ein Auszug aus „Ihr dürft dabei sein, aber treibt es nicht zu weit“, einem Artikel, den ich für das Schwerpunktthema „Homosexuelle in den Medien“ der aktuellen „Männer“ geschrieben habe. Die aktuelle Print-Ausgabe des „Männer“-Magazins (mit vielen Geschichten über Schwule in den Medien) ist ab heute am Kiosk erhältlich. Digital kann man sie hier erwerben. 

Vom 4. – 6. April findet in der Akademie Waldschlösschen eine Tagung zum Thema „Homosexuelle in den Medien“ statt, bei der sich queere Medienmacher aus allen Bereichen treffen werden. Noch kann man sich dort anmelden. Ich werde auch dort sein.

Hier weitere Beiträge aus dem Nollendorfblog zum Thema „Homosexuelle in den Medien“:

Maischberger erklärt Homosexualität zur Gesinnung 

Frank Plasberg und der „Menschenzoo“ 

BILD erklärt, was „schrill“ ist 

Das Trauma der Erika Steinbach und das Verdienst von Anne Will 

Der Quasi-Rassismus von Katherina Reiche und die Verantwortung von Günther Jauch

9 Gedanken zu „Die Geschichte von Stefan Raabs dummen Hund und der schwulen Sau

  1. Ich habe vor kurzem auf YouTube ein Let’s Play geschaut.

    Dort wird ohne Zusammenhang ein unnützer Questgegenstand negativ als „schwul“ bezeichnet. Auf meine Mail, doch bitte nach Möglichkeit auf „schwul“-Bemerkungen zu verzichten wenn es gar nichts mit der Situation zu tun habe und nur als Schimpfwort dient, durfte ich lesen, das es im Allgemeinen ja nicht so häufig vorkommen würde in seinen Videos + das Spiel nun mal so sei. Da würden halt Randgruppen bzw. jeder beleidigt (Stimmt erstens nicht und zweitens ging es mir ja gar nicht um das Spiel, sondern um die Bemerkung des Let’s Players.).

    Meine Folgemail wurde dann ganz ignoriert.

    Es war meine erste Mail in so einem Fall. Die Art des Umgangs damit finde ich ziemlich respektlos und arrogant. Kenne ich leider auch oft genug von normalen Gesprächen. Kommt dann gerne auch mal „stell Dich nicht so an“ oder „Du bist der erste den das stört“ und der Klassiker „Ich hab noch andere Schwule Freunde und die stört es auch nicht.“ Gerne kommt auch der Hinweis der Meinungsfreiheit, der Political Correctness-Keule, oder war doch nur ein Witz. Na danke.

    Ich. kann. es. nicht. mehr. hören.

  2. Es erstaunt nicht (mehr), dass im neuen Deutschland „der ehemaligen Dichter und Denker“ ein Stefan Raab … eine aufgeblasene, narzistische Eitelkeitskracherbse …. der die Unterhaltung des geistigen Prekariats zu seinem Lebensinhalt gemacht hat …. der unfähig ist, einen kompletten Satz über die dauerquatschenden Lippen zu bringen … dass eben so eine Figur derartige Aufmerksamkeit (auch auf diesem Blog) zuteil wird.

    Im übrigen würde ich bei Jauchs RTL-Quiz diesen bezaubernden Schwule-Hund-Sau-Text ohne zu zögern Stefan Raab zuordnen. Mit all seinen Aktivitäten produziert sich doch das Mensch dem Publikum als kraft-, saft- und samenstrotzender Megasuper-Mösenbegatterich-Heterosexueller … solche Typen haben erfahrungsgemäss Schwierigkeiten mit dem wesenseigenen (wie auch immer grossen oder kleinen) „weiblichen“ Anteil.

    Und nicht zu vergessen: In seinen ersten Jahren im Unterhaltungsgeschäft wurde permanent gerüchteweise gestreut, Raab sei schwul. Vielleicht hat er (auch) dadurch einen an der (heterosexuellen) Klatsche?

  3. schön wäre es doch, wenn ein coming.out unnötig wäre, da es doch der breiten masse egal sein kann, wer wen wann, wie oft, warum und aus welchem grunde liebt.
    damit wären dann auch diese unzumutbaren äußerungen gegenüber „randgruppen“ (wieder so ein unzumutbarer begriff) hinfällig. cheers
    j

  4. Pingback: Das Nollendorfblog aus Berlin von Johannes Kram vom 26. 03. 2014: Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber … - audsch - aus der Schule plaudern

  5. Vielleicht sollte man auch nicht alles so ernst nehmen, sondern an den ernsten Problemen arbeiten. Das Bild des Barebackenden Schwulen kommt ja nicht nur durch Medien,sondern kommt auch woher… Ich als LGBT mag Bushido und Raab sehr. Vielleicht können Schwule für Ihr Ansehen doch einiges mehr als man denkt…z.B. barebackcity.de usw.

  6. Ich hatte das Lied ironisch verstanden, dass es der Halter ist, der dadurch lächerlich gemacht wird, dass er sich einen Macho Hund wünscht.

  7. Gerade läuft im mdr ein Konzert der Prinzen und da wurde von einem Frauenchor das Lied „Mein Hund ist schwul“ gesungen.
    Ich finde das nicht lustig. Dank Internet konnte ich diesen Artikel finden.
    Vielen Dank für die guten Gedanken zu diesem Lied, meine Irritation beseitigt – der Text ist Mist.

  8. Pingback: » Die „heute show“ verdient den queeren Medienpreis! Aber davon müssen wir die Macher der Sendung noch überzeugen!Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber

  9. Toller Artikel und ich als heterosexueller Mann kann nur sagen, dass ich mich auch im Jahre 2022 nur allzu oft noch für meine Mitmenschen/Männer schäme. Ja, auch ich habe dieses Wort als flapsige Beleidigung ziemlich inflationär auf dem Schulhof benutzt. Allerdings war ich damals ein 12-jähriger Mitläufer, der erst noch ein Gefühl dafür entwickeln musste, wie dumm und beleidigend solch eine Ausdrucksweise ist. Sobald Menschen sich beleidigt fühlen, ist es imo keine Frage ob ich Etwas darf, oder nicht. Ich habe es anstandshalber zu unterlassen. Ganz einfach. Ich frage mich übrigens bis zum heutigen Tage, was einigen Menschen daran so schwer fällt zu begreifen. Stelle man sich nur einmal vor, wir würden Worte wie „schwarz“ oder „jüdisch“ diffamierend nutzen. Vllt kann man anhand solcher Beispiele klarer machen, wo da die Grenze überschritten ist. Wenn ein Mensch mir sagt „Das ist beleidigend“, dann ist es zudem Fakt. Wer bitteschön bin ich denn zu entscheiden, welcher Begriff einen anderen Menschen beleidigt? Wenn der Mensch sich beleidigt fühlt, habe ich es ganz einfach zu akzeptieren und fertig. Ich hoffe wirklich, dass sich unsere Gesellschaft diesbezüglich mal ein Stückchen vorwärts bewegt.

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert