Ich würde gerne einen Vorschlag machen: Warum erklären wir nicht endlich den Versuch als gescheitert, den Berliner CSD als eine politische Demonstration zu verkaufen?
Ja klar ist er politisch. Aber ist nicht irgendwie alles politisch? Mardis Gras, der Muttertag und sogar der Karneval ist es! Warum lassen wir den CSD nicht sein, was er seit Jahren nun schon ist:
Eine tolle Tradition, ein wichtiger Gedenktag, aber vor allem ein großes, einzigartiges Fest.
Warum machen wir uns nicht locker. Uns, aber auch die anderen, die Medien zum Beispiel. Jedes Jahr beschwören wir sie, „Demo“ und nicht „Parade“ zu sagen, bitte nicht nur die Transen und die Ledermänner zu fotografieren und bitte darauf hinzuweisen, dass es um wichtige politische Forderungen geht. Welche Forderung? Ach die …
Bitte nicht falsch verstehen: Natürlich bin ich für politische Forderungen!
Und noch mehr bin ich dafür, dass man Politik nicht mit dem Ausverhandeln eines neuen Sessionsmottos verwechselt. Ich habe aber mittlerweile den Eindruck, dass die real existierende Forderungspolitik des Berliner CSD e.V. die politische Ausdrucksmöglichkeit der teilnehmenden Personen und Gruppen eher behindert als unterstützt.
Dieses Jahr wäre die Gelegenheit dazu gewesen, endlich mit dem Unsinn dieser Mottofindung aufzuhören, und endlich zu akzeptieren, dass man Relevanz nicht beschließen kann. Sondern erzeugen muss.
Nichtmal das Scheitern des öffentlichen Aufrufes des Vorstandes, eigene Vorschläge für den CSD-Slogan einzusenden, bewirkte den Impuls, dass doch endlich mal andere Leute dran kommen müssten. Leute, die mehr Ideen und mehr Willen dazu haben, eine tatsächliche Einbindung der Szene zu organisieren. Und Vorschläge zu präsentieren, die nicht nur einen scheindemokratischen Abstimmungsvorgang einigermassen unzerstückelt überleben. Sondern auch irgendwelchen Sinn machen.
Auf die Idee, dass nicht die Szene, sondern der Vorstand des CSD versagt hat, wenn so ein Aufruf, zur Farce wird, ist wohl noch niemand gekommen. Dass man sich irgendwann eingestehen muss, dass man eben einfach nicht in der Lage ist, Resonanz zu erzeugen, scheint undenkbar.
Dass die immer wieder angeführten Argumente mittlerweile widerlegt wurden, hat man noch gar nicht begriffen: Zum Beispiel, dass man eben so viele Gruppen nur mit einem Konsensverfahren zusammen halten, das immer nur dem größten gemeinsamen Nenner basierenden größtmöglichen Unsinn erzeugen kann. Das stimmt eben nur dann, wenn man nicht fähig ist, ein Konzept vorzuschlagen, was gleicht zeitig gut und mehrheitsfähig ist.
Auch der Behauptung, dass die Leute auf dem CSD eben Party und keine Politik haben wollen, ist nicht bewiesen. Nur weil die jetzigen Macher es nicht geschafft haben, beides sinnvoll und kreativ miteinander zu verbinden, heisst das ja nicht, dass es nicht funktionieren kann. Es ist eben in erster Linie ein möglicher Hinweis darauf, dass die jetzige Zusammensetzung im CSD-Vorstand es eben nicht kann.
Ich weiss, dass sind fast alles ehrenamtliche Leute, die einen enormen Einsatz zeigen. Und ich weiss auch, dass da hoch kompetente Leute dabei sind. Aber wenn heute ein neuer Vorstand gewählt wird, darf es nicht darum gehen, Fleiss zu belohnen oder zu würdigen, was einzelne Menschen könnten.
Es müsste darum gehen, eine Konstellation und eine Arbeitsweise zu finden, die eine gute Richtung finden und auch umsetzten kann.
Für das bestehende Team halte ich das für nahezu ausgeschlossen. Ich glaube nicht nur, dass sie sich in einem kafkaesken Entscheidungsprozess verirrt haben (sorry, dass ich mich dazu entschieden habe, diese alberne Wortverliebtheit einfach stehen zu lassen, aber mir ist wirklich keine treffendere Beschreibung eingefallen) .
Es spricht auch alles dafür, dass sie kurz davor sind, fast alles das, wofür der CSD steht, in das Gegenteil zu pervertieren. Ich habe es nicht für möglich gehalten, aber der Vorstand des Berliner CSD plant heute tatsächlich seine politische Bankrotterklärung.
Das ist zwar nicht ganz so schlimm, wie es klingt, denn den CSD wird es mit und ohne diesen Vorstand, ja sogar ohne diesen Verein geben. Trotzdem sollte man mal genauer hinschauen, was da gerade vor sich geht.
Vorab muss man zugeben, dass es gerade keine einfachen Zeiten sind für die zentrale Veranstaltung einer Bewegung, in der sich gerade gleichzeitig alles und gar nichts bewegt: „Alles“ in dem Sinne, dass sich vor allem durch die Ereignisse in Russland eine neue politische Sensibilität mit neuen Ausdrucksformen entwickelt. „Gar nichts“ weil wir mit unserer Forderung nach gleichen Rechten mit aller Kraft gerade gegen die Wand gerannt sind und niemand ernsthaft behaupten kann, er wisse die Richtung, in der wir jetzt laufen sollten. Oder ob es eine gemeinsame Richtung überhaupt noch gibt.
Andererseits wäre keine Plattform geeigneter als der CSD, sich genau dieser diffusen Ausgangslage anzunehmen. Nur er hat die Bedeutung, Größe, die Vielfalt, Tradition und die Strahlkraft, neues zu probieren und zu fördern. Anders als die in der Szene fast völlig unbedeutende Splittergruppe LSVD empfinden ein Großteil der LGTBI sich irgendwie mit dem CSD verbunden (Rekord! 12 Abkürzungsgroßbuchstaben in so einem kurzen Satz!).
Der CSD könnte wieder werden, was er einmal war: Motor der Bewegung. Auf diese Idee ist man offensichtlich auch im CSD-Vorstand gekommen und deshalb hatte man sich als Vorschlag zum neuen Leitthema „Back to the Roots“ ausgetüftelt. Zusätzlich will man sich als Verein eine neue Präambel geben. Dieser Text, normalerweise dazu gedacht, eine Begründung, eine Richtung, oder ein Ziel vorzugeben, besteht quasi fast nur auf einer Auflistung der Vorkämpferinnen und Vorkämpfer der Bewegung, auf die man sich beziehen möchte.
Das klingt zunächst gar nicht so verkehrt. Ist aber in Wahrheit ein Armutszeugnis.
Ich versuche es mal so:
Jeder kennt diese verwirren Menschen in den Fussgängerzonen, die behaupten, sie seien Jesus oder zumindest auf seinen Spuren unterwegs. Man möchte diesen Menschen nicht absprechen, dass sie das auch wirklich so empfinden. Aber folgen möchte man ihnen auch nicht wirklich. Warum auch?
So ähnlich ist das auch mit den Verkündern der neuen CSD-Botschaft: Sie haben einfach nicht verstanden, dass nicht ausreicht, zu behaupten, dass man sich auf irgendjemanden oder irgendetwas bezieht. So wie es nicht reicht, auf die Packung eines Medikamentes oder Lebensmittels einfach „gesund“ darauf zu schreiben wenn man sich keine Gedanken um die Wirksamkeit des Inhaltes gemacht hat.
Ja, was bedeutet denn „Back to the Roots“? Wenn man das einigermaßen ernst nehmen würde, könnte man daraus einige Ansprüche ableiten. Mir fallen da viele ein, und alle sind das Gegenteil von dem, was der CSD da gerade macht. Vor allem aber einen:
Mut.
Den Machern des CSD, die sich nicht mal trauen, die Bewegung ernsthaft einzubeziehen, sollten wir nicht erlauben, sich mit ihrer Feigheit hinter unseren Vorkämpferinnen und Vorkämpfern zu verstecken zu können.
Dass der konzeptlose Titel-Vorschlag des CSD-Vorstandes „Back to the Roots“ durch das idiotische Namensgebungsverfahren mittlerweile – wie viele seine Vorgänger auch – zu einem absolut unbrauchbaren Phrasenkrüppel geworden ist, ist da fast beruhigend.
Wann hört dieser Unsinn endlich auf? Heute Abend sind Vorstandswahlen. Da wäre die Chance dafür. Theoretisch. Aber wahrscheinlich wird man sich stattdessen später über den Blogger aufregen. Wahrscheinlich heisst es, er sei ungerecht und solle sich doch selber einbringen. Aber das tue ich doch gerade.
UPDATE:
Vor Kurzem ist die Sitzung der CSD-Mitgliederversammlung beendet worden, ohne dass es zu den geplanten Vorstandswahlen kam. Diese sollen jetzt im Januar nachgeholt werden, bis daher ist der alte Vorstand noch im Amt.
Die Sitzung soll nach Teilnehmerangaben turbulent verlaufen sein, es sei auch bekannt geworden, dass sich der Vorstand sowohl mit dem Berliner Senat als auch dem Friedrichstadtpalast, dem Austragungsort der „CSD-Gala“, zerstritten habe.
Bodo Niedel, Mitglied im jetzt doch noch amtierenden Vorstand schreibt auf der Facebook-Seite des Nollendorfblogs:
„Die Zeiten des Abnickens sind vorbei.“
Hört sich nach guten Nachrichten an!
Johannes, was schlägst Du denn vor, außer dem ersten Absatz? Ich finde Dein Blog meist angenehm kritisch und selbstreflektiert (naja, abgesehen vom auch in diesem Beitrag wieder obligatorischen LSVD-Bashing 😉 ).
„Es müsste darum gehen, eine Konstellation und eine Arbeitsweise zu finden, die eine gute Richtung finden und auch umsetzten kann.“ Das ist sicher 100% konsensfähig. Aber was willst Du?
CSD ist so politisch wie Karneval? Unabhängig von Forderungen nach gleichen Rechten ist es doch schon politisch zu zeigen: Wir sind da. Wir leben in allen Bereichen der Gesellschaft. Wir sind anders als die Mehrheit, manche mehr, manche weniger. Uns deswegen nicht zu akzeptieren ist eine Frechheit. Soo anders sind wir aber auch nicht, wir sind halt auch Menschen. Und wir sind keine homogene Masse. Wir haben berechtigten Zorn. In der Zeit, die es noch braucht, bis wir nicht mehr Bürger und Bürgerinnen zweiter Klasse sind, wollen wir aber trotzdem leben und auch mal Spaß haben. Und wir finden es zum Kotzen, wenn man Minderheiten gegeneinander ausspielt. Ich finde, wenn der CSD das ausdrückt, indem wir uns zeigen und sagen „Hier sind wir“, ist das schon sehr viel Politik. Dazu reicht es, wenn wir hingehn und selbstgeschriebene Schilder hochhalten wie bei (anderen) Demos auch. Oder?
Hallo,
ich moechte hier auch mal meine meinung sagen:
Ich bin geschaeftlich viel in der Welt unterwegs und muss sagen,
dass mich diese Raucherkultur und Bierkultur in Berlin total ankotzt.
Der CSD ist doch von Bierfirmen gekauft. Ueberall nur Bierstaende, ob am Strassenfest oder auf der Strasse des 17. Juni. Warum der viele Alkohol?
Es gibt doch schon die Drogendrohnen die mit dem Drogenkonsum direkt oder indirekt die Taliban in Afganistan und im Pakistanischen gebirge finanzieren.
Damit wird das Eintreten fuer Schwulenrechte voellig heuchlerisch.
Ich bin von den siff, suff und kiff koeppen in Berlin entaeuscht.
IHR SEID SOWAS VON GESTRIG UND MEGA OUT.
BIER EBENFALLS! get real.
Ein schwuler.
Also mein Motto für einen CSD in Berlin wäre im kommenden Jahr und den folgenden schlicht und einfach:
„EHEÖFFNUNG JETZT !“
Mir scheint die Debatte um den Berliner CSD nur ein weiterer Ausdruck des gesamten Zustands einer viel zitierten „Gay-Community“ zu sein, die es in Deutschland längst nicht mehr gibt. Wer vor fünfzehn Jahren auf einem CSD war, hatte noch ein Gefühl, „dort zu hause sein“. Es gab noch Solidarität und die war spürbar. Jedenfalls ging es mir so. Damals gab es noch das Bewusstsein, dass es etwas zu erkämpfen gibt. Aus diesem Gefühl ist auch die Solidarität entstanden.
Heute – und entschuldigt jetzt bitte meine provokante Plattheit, aber das regt mich wirklich auf -, heute herrscht nach meinem persönlichen empfinden das Gefühl vor, man könne ja heiraten, hiv und aids seien heilbar, man sei chic, cool, anerkannt und mehr oder weniger akzeptiert. Es herrscht der (falsche) Eindruck, es gebe nichts mehr gemeinsam zu erkämpfen. Daraus entsteht eine Entsolidarisierung innerhalb der „Community“. Genauso wie in anderen Gesellschaftsbereichen auch.
Ein gutes Beispiel dafür ist die schwul-lesbische Kneipen- und auch die Partyszene. Der Gedanke, so etwas unterstützen zu müssen, damit es nicht kaputt geht (also aus Solidarität), ist Vergangenheit. Man geht einmal wohin, findet es vielleicht ein bisschen uncool, geht dann also nicht mehr, dann ist die Partyreihe oder die Kneipe mangels Gästen irgendwann am Ende, und dann beschwert man sich natürlich noch darüber, dass die Szene stirbt. Ich habe das als Partyveranstalter im Rhein-Main-Gebiet selbst erlebt und beobachte es gerade in Österreich und in der Schweiz. Nein, das ist keine Beschwerde, nur eine Beobachtung.
Wenn also – so meine These – unsere eigene Entsolidarisierung das tiefer liegende und eigentliche Problem ist, dann müssten wir vor allem einmal bei uns selbst anfangen. Denn auch ein CSD-Orga-Team (wie das ausführlich kritisierte aus Berlin) ist nur so gut – und kann nur so gut sein – wie die „Community“, die dahinter steht – und für die dieses Orga-Team irgendwas auf die Beine stellt.
Die „Community“ will heute (sollten das Voruteile sin, ist Widerspruch herzlich willkommen) schnelle Dates im Internet abmachen und Feiern. Wo sind die Gruppen mit homo-politischen Debatten auf Facebook, Google+ und Co.? Dating und Nackt-Bilder-Tauschgruppen gibt es dort wie Sand am Meer. Und Partykalender. Genau so unpolitisch sind folglich auch unsere CSDs geworden. Schon seit Jahren. Politische Forderungen auf Plakaten sind zumeist zur reinen Alibi-Übung verkommen, bei Schweigeminuten für Aids-Tote schwätzt die Hälfte dazwischen.
Uns sollte vielleicht auch einmal zu denken geben, wer uns eigentlich noch vertritt. Wer kämpft noch für uns, dafür, dass wir gleiche Rechte bekommen? Wir etwa? Kaum. Die Grünen (die das als Mainstream-Partei gar nicht müssten), der (vielkritisierte) LSVD, und dann halbherzig SPD und FDP.
Ein CSD-Orga-Team – und sei es noch so toll und gut – kann ohne „Community“ im Hintergrund schlechterdings nichts auf die Beine stellen, was keinen Rückhalt an der Basis findet. Ich will das Berliner Team damit weder bewerten noch verteidigen. „Back to the roots“ ist allerdings tatsächlich überhaupt kein Motto. Geschenkt & d’accord. Aber, eben: Eine Bewegung, welcher Art auch immer, braucht eine Basis. Doch so lange die lieber einfach feiert und datet als demonstriert, und nicht das Gefühl hat, es gebe tatsächlich noch etwas zu erkämpfen, so lange wird kein CSD in Deutschland wieder politisch werden.
Bemerkenswert finde ich immer wieder den Blick in den angelsächsischen Raum: Dort wird auch in sozialen Netzwerken über politische homosexuellen-relevante Inhalte debattiert, dort sind Organisationen wie etwa „All Out“ oder „Human Rights Campaign“ entstanden und sehr aktiv – und sie bewegen tatsächlich etwas. Sie nehmen die Menschen mit, begeistern sie, wecken Solidarität und die Lust, für etwas zu kämpfen. Genau das, was eigentlich auch ein CSD leisten sollte.
Warum gelingt unserer „Community“ das nicht mehr? Diese Frage sollten wir uns als allererstes einmal selbst stellen. Denn die Antwort kann uns auch kein noch so gutes CSD-Orga-Team geben. Das können nur wir selbst.
Lieber Johannes,
Wir schätzen deinen Blog ja wirklich sehr, aber verstehen nicht wirklich, was du gerade kritisierst. Insofern muss ich dich auch enttäuschen, dass wir deine Erwartung nicht erfüllen und uns „über den Blogger aufregen“ und sagen die Kritik sei „ungerecht.“
Persönlich vermute ich nämlich, dass du etwas verwechselt hast, nämlich das Leitthema und das Motto des CSD. Die Unterschiede sind im kurz erklärt. Ich wollte sie eigentlich schon längst für alle auf meinem Blog herausarbeiten, auf dem ich viel zu selten blogge, weil mir leider die CSD Arbeit nicht die Zeit dazu lässt und jedes Wort, dass die CSD-Organisator_innen auch auf privaten Blogs, Facebook-Seiten und sonstwo schreiben, aus dem Zusammenhang gerissen, sofort auf die Goldwaage gelegt, zitiert und zerrissen wird.
Meine einzige persönliche Kritik an deinem Posting ist, dass du keine Vorschläge machst wie die Findung des CSD Mottos deiner Meinung nach besser gestaltet werden kann. Wir sind nämlich Änderungen und Verbesserungen gegenüber sehr offen.
Die CSDs in Deutschland verändern sich gerade dramatisch. Gerade in den letzten Jahren entstanden überhaupt erst viele kleine CSDs, so dass allein die Zahl von ca. 20 CSDs vor 15 Jahren auf knapp 50 CSDs im Jahr 2013 angewachsen ist. Und auf dem letzten CSD Bundestreffen in Hamburg Mitte November wurde der CSD Deutschland e.V. wieder reaktiviert und engere Kooperationen und konkrete Projekte besprochen, denn der politische Roll-Back (egal ob in Russland, Uganda oder auch in Deutschland) ist an den CSD-Macher_innen nicht unbemerkt vorüber gegangen. Klar ist, dass die deutschen CSDs wieder vermehrt ihre politische Verantwortung, Diskriminierung aufzuzeigen, Vorurteile abzubauen, Forderungen zu postulieren und diese auch möglichst effektiv durchzusetzen, wahrnehmen. Das alleine wird schon für zahlreiche Diskussionen sorgen.
Das einzige, worüber ich mich in deinem Posting überhaupt „aufregen“ könnte, ist der tendenziöse Abschnitt zur Mitgliederversammlung und zur Neuwahl des Vorstandes. Die Mitgliederversammlung am 10. 12. 2013 hatte eine derart umfangreiche Tagesordnung, dass sie von vornherein kaum auf einer Sitzung zu schaffen war. Es waren noch Altlasten aufzuholen (die finanzielle Entlastung aus 2011, weil bei der letzten MV zwar der Jahresabschluss aber (noch) nicht der Bestätigungsvermerk des Steuerberaters vorlag), die regulären aktuellen Punkte zu behandeln (Entlastung der Finanzen aus 2012; Geschäftsbericht des CSD 2013 inkl. der vorläufigen Finanzen aus dem noch laufenden Jahr), alle Punkte des Reformprozesses, den wir vor etwas mehr als einem Jahr begonnen haben (komplett neue Satzung, neue Geschäftsordnung) und dann noch die Wahlen des Vorstandes, der Kassenprüfung und der Ausblick auf die nächsten Jahre. Ja, es war turbulent, was vor der Aufregung, den der CDU-Ausschluss vor dem CSD erzeugt hat, nicht wirklich verwunderlich ist. Und das zumindest die schwarze Regierungshälfte des Landes (und des Bundes) uns im Moment alles andere als lieb hat, ist deshalb genauso wenig verwunderlich. Wir hatten verspätet begonnen, weil so etwas banales wie ein streikender Drucker den Ausdruck der Geschäftsberichte (und das resultierende manuelle Zusammensortieren) zum Kraftakt machte. Unsere beiden ehrenamtlichen Dokumentarfilmerinnen, die die CSD Veranstaltungen und den Verein seit 2 Jahren sehr engagiert begleiteten und vor hatten bei der MV zu filmen, um historisches Material für künftige Videonewsletter, Dokus oder Berichte über den CSD Berlin zu haben, lösten eine weitere lange und unerwartete Debatte aus, weil einige Mitglieder den Aufnahmen widersprachen. Ein wenig glorreicher Start und trotzdem haben wir bei der Mitgliederversammlung alle vergangenheitsbezogenen Teile erfolgreich erledigt, der Vorstand wurde entlastet, der Geschäftsbericht verabschiedet. Mitten in der Satzungsdebatte musste kurz nach 22 Uhr abgebrochen werden, weil wir aus dem Sitzungssaal mussten. Die Satzungsdiskussion (und auch die Debatte zur Geschäftsordnung) wird sich hoffentlich bei der Fortsetzung der MV im Januar nicht so lange hinziehen, weil dann auch alle den Entwurf gelesen und konkrete Änderungsvorschläge vorformuliert haben. Denn leider hatte kein Mitglied, das Änderungen wünschte, auch schon etwas vorbereitet, weshalb erst neue Formulierungen während der Sitzung gefunden werden mussten.
Und damit wären wir bei meiner abschließenden Bemerkung an alle Kritiker_innen des CSD (ob sie Mitglied sind, bloggen oder sich anderweitig über den CSD äußern): Es hilft uns ungemein, wenn man/frau sich ZUERST mit dem Thema und den Inhalten auseinander setzt und DANN konkrete Verbesserungsvorschläge vorgebracht werden. Hätten alle Mitglieder den Satzungsentwurf gelesen, der drei Wochen vor der MV verschickt wurde und schon Änderungen vorformuliert, wäre allen viel Zeit erspart geblieben. Hättest du, lieber Johannes, etwas recherchiert oder am CSD Forum teilgenommen, wo wir auf den Unterschied zwischen Leitthema und Motto hingewiesen haben, wäre dir die Verwechslung dieser Begriffe und die Peinlichkeit, dem CSD die „politische Bankrotterklärung“ anzudichten, erspart geblieben.
Ja, Ja, hätte, hätte, Fahrradkette…
Aber es ist ja bald Weihnachten und deshalb wage ich einfach einen frommen Wunsch an alle Kritiker_innen zu äußern: Bitte versucht doch bei der Formulierung von Kritik, die selbe Professionalität walten zu lassen, die permanent von uns beim CSD gefordert wird. Viele Dinge erkennen wir, schaffen sie aber wegen fehlender Mitarbeit (oder fehlendem Geld) nicht. Das braucht Zeit, mehr Ressourcen und daran arbeiten wir. Viel Energie geht für Streitereien und Instrumentalisierungsversuche einzelner Teile der Community drauf und selbst der CSD in Berlin wird von der Verwaltung massiv schikaniert und gegängelt. Das braucht unglaubliche Widerstandsfähigkeit und ein dickes Fell und daran würden wir gern etwas weniger arbeiten müssen. Daher reicht es auch nicht sich „einzubringen“ in dem man am CSD rummotzt, ein bisschen mehr darf’s dann schon sein.
Anders als von dir behauptet, sind wir der festen Überzeugung, dass der CSD sowohl Spass als auch Politik sein kann. Unsere Umfragen unter den Teilnehmer_innen stützen diese Meinung, denn sie belegen, dass die meisten NICHT zum Party machen hinkommen, sondern wirklich demonstrieren oder (wenn sie hetero sind) Solidarität mit der Community bekunden wollen. Wir erleben gerade einen grundlegenden Wandel des CSD und (zum Glück) auch das Engagement von zahlreichen, neuen, jungen Leuten. Damit kamen auch neue Ideen, neue Vorgehensweisen und neue Reibungsflächen. Für neue Ansätze sind wir sehr empfänglich. Einige der Neuerungen werden gut funktionieren, andere wahrscheinlich nicht. Auch das müssen sowohl wir beim CSD als auch die Community kritisch beobachten und begleiten. Politisch bankrott – und damit abwicklungsreif – ist der CSD erst, wenn es niemanden interessiert, was beim CSD (als Veranstaltung oder als Verein) passiert. Genau das Gegenteil ist der Fall. Das mit zunehmenden Interesse auch das Geschrei lauter wird, bewerte ich persönlich als grundlegend positiv. Wenn man/frau aus dem Geschrei auch etwas mitnehmen kann und in positive Veränderungen transformiert, haben alle etwas davon. Wir haben die Kritik an der Mottofindung bereits notiert und werden darüber diskutieren. Aber zuerst verbringen wir hoffentlich viele „Stille Nächte“ über die Feiertage, bevor sich das Neue Jahr mit lautem Knall meldet.
In diesem Sinne ein Frohes und besinnliches Fest,
Robert Kastl
Geschäftsführer
Berliner CSD e.V.
Im zweiten Absatz wurde der Link zur Siegessäule nicht richtig dargestellt: Er sollte lauten:
Die Unterschiede sind im Siegessauele-Interview (http://www.siegessaeule.de/no_cache/newscomments/article/745-berliner-csd-2014-stonewall-revival.html) hier kurz erklärt.