Der deutsche Sport kuscht vor Russland und der LSVD macht sich zum Feigenblatt

Es ist unbestritten, dass der  Lesben- und Schwulenverband (LSVD) große Verdienste um die Gleichstellung Homosexueller in Deutschland hat und ebenso eine wichtige Rolle spielt, wenn es um die Unterstützung von verfolgten und diskriminierten Lesben und Schwulen auch ausserhalb des Landes geht. Ich schreibe das, weil es mir wirklich nicht darum geht, die Arbeit des Vereins, und die Absicht, die dahinter steht, in Frage zu stellen. Ich schreibe dies auch nicht, weil ich gegen die Position des LSVD kämpfe, in der dieser einen Boykott der Olympischen Winterspiele ablehnt. Ich wehre mich nur dagegen, welche Verbindlichkeit dieser Position zugemessen wird und wozu sie benutzt und gebraucht wird.

Die Erfolge des LSVD führten zu einem selbstverständlichen und weitgehend nicht hinterfragtem Vertretungsanspruch, mit dem dieser für die Interessen von Lesben und Schwulen gegenüber Politik und Öffentlichkeit spricht. Die „Community“ hat davon bislang profitiert. Doch wie das Beispiel Sotschi zeigt, wird das auch immer mehr zum Problem.

Deutlich wird das in einem Video von Tilo Jung, in dem er in seiner Reihe „Jung und Naiv“ ein Interview mit Michael Vesper, dem Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes zur Frage „Sollten wir die Olympischen Spiele in Russland boykottieren?“ geführt hat.

Vesper versucht dort, mit den von von seinem Vorgänger Bach bekannten Argumenten eine Verantwortung seines Verbandes für eine schärfere Distanzierung von der Russischen Regierung und für härtere Konsequenzen bei den Spielen von sich zu weisen.

Deutsche Sportfunktionäre sind es gewohnt, dass ihre Ausführungen zu Sotschi gar nicht – oder wenn dann nur alibimäßig – hinterfragt werden (schön zu sehen beim erste Auftritt des frisch gewählten  IOC-Präsidenten Thomas Bach im „Aktuellen Sportstudio“).

Doch Tilo Jung lässt sich nicht  so einfach mit den üblichen Beschwichtigungen abspeisen. Er hakt dauernd nach, verweist dabei sogar auf die Olympischen Spiele in Berlin von 1936 und hört auch dann nicht auf, als Vesper sagt, dass man das ja alles gar nicht vergleichen könne.

Von Jung in die Enge gebracht, bleibt ihm noch ein einziges Argument, mit dem er versuchte, die Forderungen nach deutlichen Konsequenzen zurückzuweisen. 

Und dieses Argument entspricht genau der Position des LSVD, nachdem ein Boykott nicht im Interesse der russischen Schwulen und Lesben sei,  weil diese dann für das Aus der Spiele verantwortlich gemacht würden.

Doch der LSVD ist aber hierbei nicht nur Stichwortgeber sondern auch der Beweis für die Richtigkeit der eigenen Thesen. So nennt Vesper als Begründung für seine lasche Haltung zu Sotschi als erstes die Informationen, die er durch die Gespräche mit dem LSVD gewonnen habe. Unter den anderen von ihm genannten Gesprächspartnern zu diesem Thema ist der LSVD auch der einzige, der aus der Sicht von Lesben und Schwulen spricht. 

Für den Deutschen Olympischen Sportbund muss der LSVD ein Geschenk des Himmels sein: „Seht her, wir haben mit den Homosexuellen gesprochen und die sind auch gegen einen Boykott!“ Doch es ist noch besser. Denn der LSVD spricht nicht nur für die die Interessen Homosexueller in Deutschland sondern auch für die in Russland, weil sich vergleichbare Organisationen ebenfalls gegen einen Boykott ausgesprochen haben.

Wen interessiert, wie relevant solche Aussagen wirklich sind? Wen interessiert, ob diese Verbände wirklich die Meinungen und Interessen von Lesben und Schwulen widerspiegeln? Wer stellt die Legitimität in Frage, mit der Organisationen wie der LSVD mit Verbänden und politischen Institutionen über unsere Anliegen verhandeln?

Verbände wie der Deutsche Olympische Sportbund jedenfalls nicht. Ein besseres Feigenblatt für ihre Anti-Homopolitik als den LSVD werden sie so leicht nicht finden.

 

3 Gedanken zu „Der deutsche Sport kuscht vor Russland und der LSVD macht sich zum Feigenblatt

  1. Bei der Enough-is-enough-Demo haben sich die eingeladenen Aktivisten aus Russland allesamt gegen einen sportlichen, wohl aber für einen politischen Boykott ausgesprochen, wenn ich mich recht erinnere. Wäre schön, Für und Wider davon mal diskutiert zu sehen.

  2. Ähnlich seltsam argumentiert der LSVD Hamburg auch gegen eine Petition, welche zu einer Aussetzung (und nicht zu einer Kündigung!!) der Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und St. Petersburg aufruft. Der LSVD argumentiert dort, dass bei einem Wegfall der Städtepartnerschaft kein Dialog mehr stattfinden würde. Aber der bestehende (?) angebliche Dialog schützt Schwule und Lesben leider nicht vor Übergriffen in St. Petersburg und anderswo.

    https://www.openpetition.de/petition/online/senat-der-hansestadt-hamburg-aussetzung-der-staedtepartnerschaft-mit-st-petersburg

  3. Lieber Johannes, wissen Sie dass Diverssion un Boykott auch eine Form von Gewalt sind? Wissen Sie, dass wegen Positionen wie Ihre, viele soziale Initiativen, die uns schwule Menschen aus Russland hilfreich waeren eingestellt werden? Waren Sie jemals in Russland, kennen Sie unsere brutale geschcichte, unsere autoritaeren Politiker, von gestern und vor allem heute? Das ist kein Land, das mit die Bedrohung eine Minderheit, nicht an einer Sportveranstaltung teilzunehmen oder keine Cola zu trinken anfaengt sein Kurs zu aendern! Die meisten Leute in Russland verurteilen was passiert und erwarten nicht Ihre Reden, sondern mehr internationale Zusammenarbeit und Austausch soziale Projekte mit West-Laendern, die uns mehr zeigen, was Demokratie ist! Machen Sie den Vergleich zu Moskau 1980 und nicht zu Berlin 1939! Und vergessen Sie, dass sie fuer alle die Russisch sprechen, sie der fuer Diverssion plaediert, aus BERLIN sprechen! Ich will die LSVD gar nicht in Schutz nehmen, denn sie weiss auch nicht was hier laeuft, Volker Beck hat auch Faeler gemacht, als er bei uns war, hat er nur mit Extremisten gesprochen, aber das was Sie machen, ist ganz falsch und stellt nichts anderes als die gleiche Anstiftung zu Gewalt dar!!!

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