Vorschaufoto: Anne Will by Martin Kraft (photo.martinkraft.com) License: CC BY-SA 3.0
via Wikimedia Commons
Die Fernsehmoderatorin Anne Will und die Kommunikationswissenschaftlerin und Publizistin Miriam Meckel haben sich getrennt. Öffentlich kommuniziert („Wir haben uns getrennt“) haben die beiden diesen Umstand genau so, wie sie einst ihr Zusammensein („Ja, wir sind ein Paar“) bekundet hatten: auf die denkbar knappste Art. Gerade so, dass die Bescheid wissen, die es interessiert und etwas angeht. Gerade so, wie es die real existierenden Gesetzmäßigkeiten der Medien verlangen:
Wie sie später berichteten, mussten sie damals ihre Beziehung quasi bekannt machen, um überhaupt gemeinsam öffentliche Veranstaltungen besuchen zu können, ohne weitere Verrenkungen und Verleugnungen durchleiden zu müssen. Außerdem, so darf vermutet werden: Um nicht irgendwann als Paar (und damit ja gleichzeitig auch als Lesben) unter nicht selbstbestimmten Bedingungen geoutet zu werden. Genauso halbfreiwillig wie ihr damaliges „Liebesbekenntnis“ war nun auch das „Bekenntnis“ ihrer Trennung.
Da sie sich ja damals bereits „offiziell“ zum Paar erklärt hatten, mussten sie nun auch ihre Trennung offiziell machen, um sich nicht den Vorwurf gefallen zu lassen, eine Beziehung vorzuspielen, die Öffentlichkeit an der Nase herumzuführen. Es ging den beiden bei der Bekanntgabe ihrer Trennung also ganz offensichtlich nicht darum, diese zum Thema zu machen. Sondern um das genaue Gegenteil: Mit möglichst wenigen Worten zwar einer Art inoffizieller medialer Informationspflicht nachzukommen, aber eben so, dass das Ganze möglichst kein Thema wird.
Dass es das trotzdem ist, dass die nüchterne und sogar mit „kurze Erklärung“ sehr unspektakulär angteaste dpa-Meldung zur Will/Meckel-Trennung heute lange Zeit der meistgeklickte Beitrag auf welt.de ist, hat mit der Natur der Sache zu tun. Beziehungsweise der Natur zweier Sachen.
Die eine Sache heißt Prominenz. Die Leute wollen eben wissen, welcher Promi mit wem zusammen ist oder eben nicht. Die andere Sache heißt Homophobie. Denn während sich prominente Heteromenschen „nur“ mit der Klatschsucht der Öffentlichkeit herumschlagen müssen, gilt für Homos zusätzlich noch die Aufmerksamkeit, die es für das immernoch-Skandal-Thema Homosexualität kostenlos obendrauf gibt: Da haben sich eben nicht nur zwei Promis getrennt, sondern zwei Homo-Promis.
So finden sich in den Kommentarspalten der WELT zum dpa-Artikel mustergültig alle zur Zeit en vogue befindlichen homophoben „ich hab ja nichts, aber“-Ressentiments in einer beeindruckenden Dichte aufgelistet. Und da in diesen Zeiten ja so gerne betont wird, wie egal es den Leuten doch ist, ob jemand homosexuell ist oder nicht, lohnt ein Blick in diese Abgründe, von denen man wissen muss, dass es ja nur die nett formulierten Abgründe sind: Die bei Homo-Themen übliche Masse an offenem Hass wird bereits von den Online-Redaktionen vor Veröffentlichung herausgefischt. Aber selbst die Kommentare, die es auf die Website geschafft haben, offenbaren eindrucksvoll die Dimension des Homo-Hasses. Wie groß der Kübel Gülle ist, den LeserInnen wie die der WELT über so einer Homo-Geschichte kippen, zeigt sich an dem, was trotz der redaktionellen Sicherheitsmaßnahmen in den Kommentarbereich hinein schwappt: Während ich diesen Blogbeitrag schreibe, hat sich die Anzahl der auf welt.de veröffentlichten Kommentare von 187 auf 40 reduziert. Online (also nicht zugehörig zur vorab herausgefischten krassen Sorte) waren eben noch Meinungsäußerungen wie diese:
Naja liebe Leute – diese Meldung ist schon sehr, sehr wichtig! Durch die prominente Platzierung in einem ebenso prominenten Medium muß dem ständigen Geschrei von Minderheiten ja eine Bühne geboten werden; Geht es doch nicht zuletzt auch darum, bei der breiten Masse den Eindruck zu erwecken, daß die jeweilige Minderheit (hier: Lesben) ganz wichtig ist!
Wie resümieren: Für diese Art von Beziehungen, in denen zwei Erwachsene gleichen Geschlechts einfach ein paar Jahre zusammenleben ohne die Aussicht, Nachkommen, zu zeugen oder irgendeine andere gesellschaftsstützende Funktion auszuüben, gibt der Staat Millionen Euro jährlich in Form des Ehegattensplittings aus… Warum nochmal eigentlich?
Ich möchte mir weder das Zusammenleben noch die Trennung vorstellen.
Wie gesagt: Das sind nicht die krasse Masse, das ist lediglich die Mitte des Eisbergs. Doch schauen wir uns nun dessen Spitze an, also den jetzt noch online einsehbaren Bereich mit den ganz wenigen einigermaßen zivilisierten LeserInnen-Äußerungen. Da, wo der allerallergrößte Teil der homophoben Ressentiments herausgefiltert wurde. Da, wo homophobe Ressentiments zumindest schöner verpackt werden. Etwa so:
Frau WILL würde ich auf Dauer auch nicht ertragen. Na zum Glück bin ich mit meinem Mann seit 30 JAHREN glücklich.
Vielleicht zu viel Hedonismus und Scheinwelt gewesen?
Traumpaar? Für mich sind Traumpaare, Paare die es schaffen ihre Beziehung auf das Niveau einer Familie zu heben. Denn sie übernehmen über die Kinder Verantwortung für unsere Zukunft.
Doch so schlimm all das auch ist. Die Kommentare der WELT-LeserInnen zeigen noch eine ganz andere Dimension der Homophobie als die üblichen Abwertungen.
Es ist das homosexuelle „Egal-Dilemma“:
Die Leute interessieren sich tierisch dafür, wer und ob jemand homosexuell ist (sonst wären die Medien auch nicht so verbissen darauf, dies aufzuschreiben), gleichzeitig beteuern sie, wie egal ihnen das ist.
Oder, eine Ebene grundsätzlicher betrachtet: Indem die Mehrheitsgesellschaft Homosexuelle durch ihre heterosexuelle Normvorgabe erst mal in den Schrank sperrt, zwingt sie diese überhaupt dazu, da wieder herauszusteigen, also sich outen zu müssen. Und wenn sie es dann tun, kritisieren sie sie dann dafür, dass sie es tun. Der doppelte Sinn des deutschen Wortes „egal“ zeigt, wie vertrackt dieses Dilemma für Homosexuelle ist: Erst verwenden Heteros „egal“ im Sinne von „gleichwertig“: Ist mir doch egal, ob jemand homosexuell ist: Ich habe doch kein Problem damit. Gleichzeitig bedeutet dieses „egal“ aber auch: Es ist mir egal, ich will nicht damit behelligt werden. Wieso macht ihr immer ein Problem damit?
Durch das Egal-Dilemma können Homosexuelle nichts richtig machen. Selbst wenn sie, wie Will und Meckel das getan haben, von ihrem Privatleben nichts mitgeteilt haben, ist den Leuten das schon zu privat. Selbst, wenn sie sich trennen und dafür die am wenigsten denkbare Anzahl von Worten benutzen, ist diese Anzahl viel zu viel. Es stimmt nicht, dass wir ihnen egal sind. Denn wenn wir egal wären, wäre nicht schon das Wenigste schon zu viel.
Ja, es ist einfach so. Der Homosexuelle, wenn er sichtbar homosexuell ist, ist einfach schon zu viel, dadurch, dass er sichtbar homosexuell ist. Und das nicht nur in der WELT. ♦
Aus dem Archiv:
Das Trauma der Erika Steinbach und das Verdienst von Anne Will (2013)
Sammlung aller Beiträge im Blog zur Homophobie der WELT
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