Foto by Christopher William Adach, CC-Lizenz
„Exzentrisch“ ist das, was man über Schwule sagt, oft ganz egal, ob sie exzentrisch sind oder nicht. „Exzentrisch“ ist das, was man oft einfach sagt, um nicht „schwul“ sagen zu müssen, um das Andersein nicht näher beschreiben zu müssen. „Exzentrisch“ ist so gesehen eine Schutzbehauptung, sie bewahrt die Gesellschaft vor dem Nicht-so-genau hinschauen-müssen, sie erlaubt den oberflächlichen, den gaffenden, den exotistischen Blick. „Paradiesvogel“ ist auch so ein Wort. Aber die Schutzbehauptung schützt nicht nur die Gesellschaft, sie schützt auch den Schwulen. Er, der Freak, darf sich Dinge erlauben, die sonst nicht gehen. „Exzentrisch“ ist somit auch eine Verniedlichung. So wie bei Karl Lagerfeld.
Die Modebranche gewährte dieser schreckliche Person eine hohe Wertschätzung und beschränkte sich darauf, ihn als etwas exzentrisch zu bezeichnen.
schreibt die feministische Seite „Wear your Voice“ zum Tod von Karl Lagerfeld und fordert: „Stop Mourning Oppressors“: Hört auf, die Unterdrücker zu betrauern!
Nein, Karl Lagerfeld hat es verdient, dass man um ihn trauert. Als Mensch, als Künstler, als Genie, als Symbolfigur. Er war nicht nur ein Sexist. Aber ein Sexist war er eben auch.
Und auch wenn viele seiner Zoten wohl nichts anderes sein wollten als Zoten, waren sie von einer Härte, über die die charmante, selbstironische Art, mit der sie vorgetragen wurden, nicht hinwegtäuschen sollte.
„Wear your voice schreibt“:
Lagerfeld war während seiner gesamten Karriere notorisch frauenfeindlich. In einem Gespräch mit Carine Roitfeld, der Chefredakteurin von CR Fashion Book, erklärte er, es sei eine Schande, sich mit einer „hässlichen Tochter“ herumschlagen zu müssen, Kinder zu haben sei etwas für Frauen, nicht für Männer. Er erklärte auch einmal, dass Coco Chanel keine Feministin sei, weil sie „dafür nicht hässlich genug war“.
Er verurteilte die Protagonistinnen der #metoo-Bewegung als Opportunistinnen, leugnete einen Zusammenhang zwischen den Essstörungen bei Jugendlichen und den vermittelten Bildern der Modeindustrie und äußerte sich immer wieder abwertend über Frauen, die nicht seinen Schönheitsidealen entsprachen. (Lesetipp auf CNN: „We can’t ignore Karl Lagerfeld’s complex legacy“)
Seien wir ehrlich: In Karl Lagerfeld manifestiert sich eine Form von Frauenfeindlichkeit, die bei Schwulen nicht selten ist. Es ist eine Frauenfeindlichkeit, die vorgibt, Frauen zu vergöttern, sie aber tatsächlich auf eine Oberfläche reduziert. Nicht um sonst sind es meist Schwule, die als Juroren in Casting Shows dafür angeheuert werden, Frauen zu bewerten, Frauen zu sagen, was an ihnen Scheiße ist. Da es die gleichen Schwulen sind, die Frauen auch zu Ikonen stilisieren, wird ihnen das verziehen. Schwule, so scheint es, geben den misogynen Hass auf sich selbst (denn das muss auch an dieser Stelle gesagt werden: Schwulenhass in der Gesellschaft nährt sich zu einem großen Teil auf der Verachtung des Weiblichen) an die Frauen weiter. Um von der Gesellschaft etwas weniger verachtet zu werden, verachten sie andere, verbünden sich mit dem gemeinsamen Unterdrücker: dem sexistischen Heteromann. Schwuler Frauenhass ist Selbsthass. Weder gesund für die Frauen noch für die Schwulen.
Um Gottes willen: Ja, es gibt viele schwule Modedesigner, die Frauen wirklich respektieren, die nicht tradierte Rollenmuster predigen, die sich nicht verblümt dafür entschuldigen, schwul zu sein und die nicht der Community in den Rücken fallen und so tun, als hätten sie sich die Akzeptanz der Gesellschaft alleine erarbeitet und diese fuße nicht auch auf dem, was die schmuddeligen Community-Homos erstritten haben. Und doch gibt es auffallend viele schwule Modedesigner, die genau dies tun. Und es gibt auffallend viele Schwule, die sie genau dafür bewundern.
Karl Lagerfeld ruhe in Frieden. Aber dem Sexismus in uns, dem sei keine Ruhe gegönnt. Hören wir auf damit!
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