„Debattengeil“: Nicht über alles kann man diskutieren

Eine Minderheit oder deren „Vertreter“  kann „der“ Mehrheit schlicht nicht erklären, wie sie fühlt und warum, wodurch und wie sie sich bedroht und verletzt fühlt. Zumindest nicht in Form einer Debatte. Für die Mehrheit ist das schwer zu verstehen, deshalb bemüht sie sich, mit Vergleichen zu nähern. Aber so richtig kann das nicht gelingen.
Wer es trotzdem immer wieder versucht, ist nicht naiv, sondern debattengeil. Wer immer nur Show Down will, nimmt Verluste nicht in Kauf, sondern produziert sie.  Auch Frauen sind eine Minderheit, nämlich dann, wenn es um den formalen Zugang zu Macht und ihren Ritualen geht. Ob und wann eine Frau sich als Opfer von Sexismus sieht, kann ebenso nicht Gegenstand eines Verhandlungsprozesses sein, in der es eine Gegenseite gibt, die reflexhaft relativierende Begleitumstände heranführt. Jede Minderheit bleibt der Mehrheit, in der sie sich befindet, in gewissem Maße unverständlich und fremd. Dies führt oft zum Vorwurf an die Minderheit, sie sei ja nicht nur für ihren Minderheitenstatus selbst verantwortlich, sondern für die Aggression, der dieser auslöst. So ist der Jude selber Schuld am Antisemitismus so wie Homosexuelle an der Homohobie.
Diese Funktionsweise lässt sich besonders deutlich an vielen Medienreaktionen auf die Demonstrationen homosexueller Gruppen zum Papstbesuch im vorletzten Sommer beobachten. Demonstriert wurde unter anderem gegen die Unterstützung der katholischen Kirche  für Staaten, in denen Homosexualität streng und oft auch mit dem Tod bestraft wird, da sie deren Recht verteidige, „gewisse sexuelle Handlungen“ zu regulieren und gewisse „sexuelle Verhaltensweisen“ per Gesetz zu verbieten. Ulrich Deppendorf fand die Proteste in der ARD damals typisch deutsch und kleinlich, ohne die Vorwürfe überhaupt zu thematisieren und für Focus-Herausgeber Helmut Markwort war das gar ein Grund, Schwule darauf hinzuweisen, doch bitte nicht mehr so minderheitigunangenehm aufzufallen: „Während die Show-Schwulen von Berlin auf der Straße krakeelen, marschieren die etablierten Homosexuellen durch die Institutionen und arbeiten an ihrer Karriere.“
Nein, Sexismus, Antisemitismus und Homophobie sind keine Stilfragen. Und wenn sich jemand an gemeinsamen Tischen nicht sexistisch, antisemitisch oder homophob äußert, bedeutet gar nichts darüber, ob er es an anderen Stellen tut oder tun wird. Minderheiten nerven, wenn sie darauf aufmerksam machen, was sie bedroht. Das liegt in der Natur der Sache. Da gibt es nichts zu debattieren. Aber eine Menge zu lernen. Die letzten zwei Wochen wären eine gute Gelegenheit dafür gewesenEine Minderheit oder deren „Vertreter“  kann „der“ Mehrheit schlicht nicht erklären, wie sie fühlt und warum, wodurch und wie sie sich bedroht und verletzt fühlt. Zumindest nicht in Form einer Debatte. Für die Mehrheit ist das schwer zu verstehen, deshalb bemüht sie sich, mit Vergleichen zu nähern. Aber so richtig kann das nicht gelingen.

Über Brüderle ist alles Nötige geschrieben worden, auch von mir (in meiner Medienkolumne „Hier ist Berlin“ auf VOCER).

Die sogenannte Sexismusdebatte lässt mich etwas schaudern, wenn ich mir vorstelle, wie das irgendwann einmal aussehen wird, wenn aus noch unschönerem Anlass eine  breitere Öffentlichkeit  sich damit auseinander setzten muss,  dass auch Homophobie Sexismus ist.

Da das hier ein monothematisches Blog ist, nachfolgend der Teil meines Textes, der auch und vor Allem hier hin gehört:

(…) Eine Minderheit oder deren „Vertreter“  kann „der“ Mehrheit schlicht nicht erklären, wie sie fühlt und warum, wodurch und wie sie sich bedroht und verletzt fühlt. Zumindest nicht in Form einer Debatte. Für die Mehrheit ist das schwer zu verstehen, deshalb bemüht sie sich, mit Vergleichen zu nähern. Aber so richtig kann das nicht gelingen.

Wer es trotzdem immer wieder versucht, ist nicht naiv, sondern debattengeil. Wer immer nur Show Down will, nimmt Verluste nicht in Kauf, sondern produziert sie.  Auch Frauen sind eine Minderheit, nämlich dann, wenn es um den formalen Zugang zu Macht und ihren Ritualen geht. Ob und wann eine Frau sich als Opfer von Sexismus sieht, kann ebenso nicht Gegenstand eines Verhandlungsprozesses sein, in der es eine Gegenseite gibt, die reflexhaft relativierende Begleitumstände heranführt. Jede Minderheit bleibt der Mehrheit, in der sie sich befindet, in gewissem Maße unverständlich und fremd. Dies führt oft zum Vorwurf an die Minderheit, sie sei ja nicht nur für ihren Minderheitenstatus selbst verantwortlich, sondern für die Aggression, der dieser auslöst. So ist der Jude selber Schuld am Antisemitismus so wie Homosexuelle an der Homohobie.

Diese Funktionsweise lässt sich besonders deutlich an vielen Medienreaktionen auf die Demonstrationen homosexueller Gruppen zum Papstbesuch im vorletzten Sommer beobachten. Demonstriert wurde unter anderem gegen die Unterstützung der katholischen Kirche  für Staaten, in denen Homosexualität streng und oft auch mit dem Tod bestraft wird, da sie deren Recht verteidige, „gewisse sexuelle Handlungen“ zu regulieren und gewisse „sexuelle Verhaltensweisen“ per Gesetz zu verbieten. Ulrich Deppendorf fand die Proteste in der ARD damals typisch deutsch und kleinlich, ohne die Vorwürfe überhaupt zu thematisieren und für Focus-Herausgeber Helmut Markwort war das gar ein Grund, Schwule darauf hinzuweisen, doch bitte nicht mehr so minderheitigunangenehm aufzufallen: „Während die Show-Schwulen von Berlin auf der Straße krakeelen, marschieren die etablierten Homosexuellen durch die Institutionen und arbeiten an ihrer Karriere.“ (darüber hatte ich hier bereits gebloggt)

Nein, Sexismus, Antisemitismus und Homophobie sind keine Stilfragen. Und wenn sich jemand an gemeinsamen Tischen nicht sexistisch, antisemitisch oder homophob äußert, bedeutet gar nichts darüber, ob er es an anderen Stellen tut oder tun wird. Minderheiten nerven, wenn sie darauf aufmerksam machen, was sie bedroht. Das liegt in der Natur der Sache. Da gibt es nichts zu debattieren. Aber eine Menge zu lernen. Die letzten zwei Wochen wären eine gute Gelegenheit dafür gewesen.

Aus: „Die Brüderle-Augstein Brücke“. Der ganze Text ist erschienen auf VOCER am 29. Januar 2013

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