Der gescheiterte Versuch des deutschen Bühnenvereins, etwas über Homophobie zu sagen

Schön, dass sich der Präsident des Deutschen Bühnenvereins gegen Homophobie einsetzt. Schade nur, dass er davon offensichtlich nicht viel versteht und statt dessen selbst homophobe Reflexe kultiviert. Aber der Reihe nach.

In der Deutschen Oper wurde mit „Erward II“ ein misslungenes Stück über Homosexualität und Homophobie uraufgeführt. Christine Lemke-Matwey, Kritikerin der ZEIT, beschreibt nicht nur, was dieses Stück so schlimm macht, sondern wirft den schwulen Machern auch noch vor, dass sie – als schwule Macher – es nicht geschafft haben, ein besseres schwules Stück auf die Bühne zu bringen. Das wiederum findet Ulrich Khuon, Präsident des Deutschen Bühnenvereins und Intendant des Deutschen Theaters in Berlin, homophob, weil die Kritikerin „schwul“ als eine Zuschreibung benutze, „die Menschen auf ein einziges Merkmal reduziert – als wäre klar, welche Träume, Haltungen, Wünsche, Geschmäcker der Komponist, Librettist, Intendant haben, weil sie schwul sind.“

Aber das tut sie gar nicht. Sie fragt sich zwar „wie die geballte schwule Bühnenkreativwirtschaft ein derart jämmerliches Stück hervorbringen kann. Sprachlich jämmerlich, dramatisch jämmerlich, musikalisch jämmerlich“, was natürlich nicht besonders nett ist, aber nicht besonders nett ist noch lange nicht homophob.

Denn natürlich ist die Frage nicht nur erlaubt, warum es Schwule sind, die hier an einem schwulen Thema so grandios auf allen Ebenen scheitern (der Regisseur hatte das Werk als eine „Grand Opéra des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet). Sie ist sogar für eine angemessene Betrachtung des Scheiterns fast zwingend.

Khuons Binsenerkerkenntnis, dass es das eine „schwule Merkmal“ nicht gibt, kann doch nicht ernsthaft zur Konsequenz haben, die Tatsache einer homosexuelle Perspektive der Macher nicht zu diskutieren zu dürfen. Denn dies hieße ja, dass diese entweder egal ist, dass es sie gar nicht gibt, oder dass schwule Theatermacher davor geschützt werden müssten, mit ihr konfrontiert zu werden. In allen drei Möglichkeiten steckt mehr als ein Funke Homophobie und es ist schon beachtlich, wie hier einer der wichtigsten Deutschen Theater-Repräsentaten mit offizieller Verbands-Pressemitteilung eine Diskussion skandalisieren möchte, die wirklich etwas über Homophobie erzählen könnte.

Natürlich dürfen schwule Theatermacher ein schlechtes schwules Stück machen. Aber wenn man schwule (lesbische, transsexuelle, schwarze, muslimische usw.) TheatermacherInnen dafür beklatschen darf, dass sie es geschafft haben, aufgrund ihrer eigenen Geschichte und Perspektive ein besonderes Stück zu machen, darf man sie auch umgekehrt dann kritisieren, wenn ihnen das trotz ihrer Geschichte und Perspektive nicht gelingt. Oder ist es vielleicht sogar wegen ihrer Geschichte und wegen ihrer Perspektive? Hier würde es interessant. Und es ist interessant, dass der deutsche Bühnenverein genau hier nicht hin möchte. Oder kann. ♦

Nachtrag (28.2.):

Auf queer.de habe ich meine Kritik präzisiert:

Der Chef des Deutschen Bühnenvereins definiert Homophobie mit homophober Argumentation

In der Debatte um die Oper ‚Edward II.‘ dürfen die Biografien der schwulen Kulturmacher nicht ausgeklammert werden. Eine Gegenrede zu Ulrich Khuon von Johannes Kram.“

Weiterer Beitrag zum Thema in diesem Blog:

Die Verschwörung der Opernschwulen: Die FAS und die Kunst der gediegenen Homohetze

Nollendorfblog-Themenarchiv „Film und Theater“

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