Flapsiges Grauen

Vor einigen Monaten hatte ich die Leserkommentare eines welt.de-Artikel über Klaus Wowereit ausgewertet. In dem Beitrag selbst ging es gar nicht um Wowereits Homosexualität. Trotzdem haben ihn dort im schaurigen Keller von Welt.de über ein Drittel der Kommentierer dort diesbezüglich teilweise sehr beleidigend angegriffen.

Man muss dazu wissen, dass solche Foren moderiert sind, d.h. die schlimmsten homofeindlichen Attacken tauchen dort gar nicht auf. Aber selbst der Rest, also das, was die Redaktion über den Gemütszustand ihrer Leser bereit war freizugeben, läßt einen bei der Vorstellung, einmal nachts alleine in einer ruhigen Strasse einen Menschen mit der WELT unter dem Arm zu begegnen, Angst und Bange werden.

Damals wurde mir vorgeworfen, dass ich es mir ja mit der Auswahl eines Mediums, das offensichtlich besonders stolz auf eines ihrer homophoben Sprachrohre zu sein scheint (hier meine Geschichte zu. C. Jacobi und hier die von Stefan) , etwas einfach gemacht hätte.

Das mag sein, aber wie sieht es denn aus in den liberaleren Foren, dort wo die Debatte und nicht das Debakel zu Hause scheinen?

Der „Sprengsatz“ des ehemaligen Chefredakteurs und Politikberaters Michael Spreng und Stefan Niggemeiers Seite sind wohl zwei der relevantesten gesellschaftspolitischen deutschen Blogs. Sprengs Fokus liegt auf der Tagespoltik und Stefan schaut vor allem durch die medien(politische) Brille.

Nicht aus Recherchegründen, sondern einfach, weil beide Seiten zu meinen Lieblingsblogs gehören, verfolge ich dort nahezu jedes Thema. Beide haben mit Homosexualität nur dann zu tun, wenn es da gerade etwas Aktuelles zu gibt. Doch ist das mal der Fall, dann ist in den Kommentarspalten richtig was los. Zunächsteinmal fällt die hohe Anzahl der Leserkommentare auf. Aber auf welchem Niveau? Im Gegensatz zu welt.de ist der Ton ist feiner, aber macht er auch die Musik?

Zur Zeit gibt es bei Spreng eine lange Diskussion über seinen Beitrag „Die Schwulenfeindlichkeit in der Politik“, wo er im Zuge der Geschehnisse um Wikileaks, Guildo Westerwelle und seinem ehemaligen Büroleiter der die von einigen Medien ins Spiel gebrachten angeblichen „schwulen Seilschaften“ kritisierte. Als Stefan Niggemeier die Äußerungen des Literaten Wladimir Kaminer während der Berichterstattung zum vorletzten Eurovision Song Contest in Moskau hinterfragte, war es ähnlich. (Kaminer mochte an der dort am selben Tag aufgebrannten Gewalt gegen Schwule nichts Schlimmes finden. Zumindest wollte er dazu nichts sagen, ausser, dass es nicht stimmt.)

In den Leserforen zu beiden Themen lassen sich Paradigmen beobachten, die sich auffällig gleichen.

Zunächst gibt es viele Kommentare, die lediglich kommentieren wollen, dass das Thema eigentlich gar kein Thema sei. Die nächste Stufe ist dann, dass das Kritisierte ja gar nicht schwulenfeindlich sei, und wenn, dann müsse man ja keinen Elefanten aus einer Mücke machen, das sei doch alles eher flapsig gemeint. Das Gros aber geht an die Leute, die Schwulenfeindlichkeit bei sich und den im Beitrag kritisierten ausschliessen, und dies teilweise mit abenteuerlichen schwulenfeindlichen Argumentationsmustern untermauern.

Die häufigsten Denkketten gehten so:

– Schwule werden gar nicht diskriminierert und wenn, dass liegt das daran, dass sie sich ja unbedingt outen müssen und ihre sexuelle Idendität ja auch noch thematisieren / inszenieren oder sonstwas müssen.

– Schwule werden diskriminiert, aber sie sollen sich mal nicht so anstellen und sich nicht in so eine Opferrolle reintun. Schließlich werden andere Bevölkerungsgruppen (in den Sprengsatz-Kommentaren sind es u.a. „Blondinen“) auch diskriminiert. Das ist eben so. Ausserdem haben sie sich ja selber für dieses Outing entschieden, weil sie ja unbedingt so wollen.

– Schwulendiskriminierung ist gar keine Schwulendiskriminierung. Weil sie gar nicht böse gemeint ist und weil die Schwulen das selber lustig finden.

Wie gesagt, hier geht es um Menschen, die alle nichts gegen Schwule haben.

In beide Forumsdiskussionen habe ich mich eingemischt. Bei Sprengsatz wurde es besonders heftig. Angefangen hat alles mit einer Maren P., die nicht wahrhaben will, was an ihrer Einleitung so schlimm sein soll:

„Eine generelle Schwulenfeindlichkeit in allen Parteien kann ich nicht erkennen, Herr Spreng. Oft sind es doch die Schwulen selbst, die ihre sexuelle Orientierung instrumentalisieren und öffentlich machen.“

Maren P. verwahrt sich dagegen, auch nur „latent“ homophob zu sein, kristiert aber in dem Zusammenhang, dass es ihr „aber relativ häufig“ im Buchladen passiere, „dass mir ein Schwuler spätestens beim zweiten Erscheinen ungefragt erzählt, in welcher Beziehung er lebt und die guten oder schlechten Umstände.“

Das schlimme an Leuten wie Maren P. ist, dass sie ihre Argumente wiederholen und wiederholen, und nicht eine Spur davon merken, was sie da eigentlich gesagt haben. Nein, ich wollte nicht die grosse Keule rausholen, aber dann habe ich sie doch auf ein kleines Gedankenspiel eingeladen.

“Eine generellen Antisemetismus in allen Parteien kann ich nicht erkennen, Herr Spreng. Oft sind es doch die Juden selbst, die ihre Religion instrumentalisieren und öffentlich machen.“

Die ganze Diskussion hier.

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2 Gedanken zu „Flapsiges Grauen

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